Die Hobbys der Habsburger: Über geheime Leidenschaften & Intrigen
Historie neu entdeckt
Kaiserin Elisabeth. © Wien Museum Online Sammlung
Die STEIRERIN hat mit der Historikerin und Autorin Katrin Unterreiner über ihr neues Buch „Sisi & Co“ gesprochen, in dem sie die geheimen Leidenschaften der Habsburger aufdeckt.
Die Grazerin Katrin Unterreiner ist vielen als langjährige wissenschaftliche Leiterin der Schloss Schönbrunn Ges.m.b.H. und der Kaiserappartements der Wiener Hofburg, als Kuratorin des Sisi Museums und als Beraterin historischer Dokumentationen im Fernsehen bekannt. 2023 beschäftigte sie sich als Kuratorin der Ausstellung „Kaiserliche Kindheit“ im Schloss Halbthurn (Burgenland) mit der Ausbildung der Habsburgerkinder. Diese haben im 18. Jahrhundert eine bestmögliche und wissenschaftsorientierte Ausbildung erhalten.
Das änderte sich aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts und kippte ins Gegenteil: Es ging nur mehr darum, sie zu braven Pflichterfüller:innen zu erziehen. Sie durften sich auch als Erwachsene nicht weiterbilden und keinen Beruf ergreifen. Einige Habsburger:innen setzten sich jedoch über die Familiengesetze hinweg und übten ihre Passion entweder durch trickreiche Umgehung der Familienstatuten oder im Geheimen und mitunter sogar „professionell“ aus. Das inspirierte Unterreiner, diese Thematik für ihr neuestes Buch aufzugreifen. Es kommen 22 Monarch:innen und ihre geheimen Leidenschaften vor, unter anderem Kaiserin Elisabeth (Bergsteigen und Schönheitskult), Erzherzog Franz Ferdinand (Tennisspieler und Jäger), Erzherzogin Elisabeth Marie (Politikerin und Spiritistin), Erzherzog Ernst (Spieler) und Erzherzogin Margaretha (Fotografin, Ballonfahrerin und Automobilistin).
Interview
Wo haben Sie recherchiert?
Katrin Unterreiner: Es gibt zum Glück viele Quellen, etwa im Staatsarchiv, wo man immer wieder Neues finden kann, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen, Nachlässe von Mitgliedern der kaiserlichen Familie. Ich arbeite ja seit vielen Jahren zum Thema Habsburg, da habe ich schon viele Kontakte knüpfen können und freue mich sehr über das Vertrauen.
Wie kann man bei Zeitzeugenberichten sichergehen, dass die Informationen der Wahrheit entsprechen?
Man kann sie mit Berichten von anderen Personen vergleichen, man muss das immer ein bisschen in den Kontext stellen. Vieles aus dieser Zeit ist auch in der Presse berichtet worden, da kann man Belege finden. Aber zu 100 Prozent gelingt es nie, weil was jemand in ein Tagebuch schreibt, ist, was diese Person erlebt hat – das heißt noch lange nicht, dass es so gewesen sein muss. Aber es gibt auch sehr viele Briefe, da sie die einzige Möglichkeit der Korrespondenz waren.
Was sind aus Ihrer Sicht die interessantesten Habsburger-Leidenschaften?
Für mich war es spannend, Joseph Ferdinand und Heinrich Ferdinand – die „fliegenden Erzherzoge“ – in den Vordergrund zu stellen, die wirklich Pioniere der Gasballonfahrt waren. Die Ballonfahrt war ein echtes Abenteuer, auch gefährlich, und sie haben es nicht nur hobbymäßig betrieben, sondern sich wirklich inhaltlich damit auseinandergesetzt. Sie haben bei der Entwicklung geholfen und eine Sammlung aufgebaut, die unter Fachleuten hoch angesehen ist. Auch ihre Schwester, Erzherzogin Margaretha, finde ich besonders interessant, da sie unverheiratet geblieben ist und damit ihren Interessen nachgehen konnte. Der Nachteil ist, dass es keine Nachfahren gibt, die dieses Andenken aufrechterhalten konnten, weswegen sie fast in Vergessenheit geraten ist. Sie war die erste Habsburgerin, die den Führerschein gemacht hat, die erste, die ein Auto hatte, die allein Autoreisen unternommen hat. Sie liebte Passstraßen und hat ihre Fahrten fotografisch festgehalten, ist durch ganz Kroatien und Italien gereist und war auch die Erste in Österreich, die mit Farbfotografie gearbeitet hat. Da musste man schon ein technisches Verständnis und eine künstlerische Ader haben. Da sind Fotos entstanden, die sehr modern sind und heute in einer Galerie hängen könnten. Auch Ballonfahrerin war sie, eine Abenteurerin. Es ist interessant, dass es innerhalb der Habsburgerfamilie, wo bis auf die Thronfolger doch alle eine ähnliche Ausbildung erhalten haben, trotzdem so unterschiedliche Wege gab. Man muss sagen, dass es ja allen freigestanden ist, aus der kaiserlichen Familie auszutreten und einen Beruf zu ergreifen. Das haben nur die Wenigsten gemacht, und in Wahrheit sind alle, die es versucht haben, kläglich gescheitert – weil sie nicht gelernt haben, an einer Sache dranzubleiben und bis zum Ende durchzuziehen.
Namensgebend für das Buch ist Sisi – was fasziniert uns so an ihr?
Die mediale Aufmerksamkeit durch Filme und Serien ist ungebrochen und vielen wollen wissen, wer die historische Person dahinter war. Zu Kaiserin Elisabeth gibt es sehr viele und immer wieder neue Quellen. Im Buch zeige ich auf, wie sehr sie das Bergsteigen als Leistungssport und ihren Schönheitskult betrieben hat.
Kann man sagen, dass der Schönheitskult schon krankhaft war?
Das kippt mit zunehmendem Alter, da sie offensichtlich ihr Selbstbewusstsein zu einem großen Teil aus ihrer Wirkung auf Menschen bezogen hat. Als sie älter wurde, hat sie sich in der Öffentlichkeit hinter Fächern und Schirmen versteckt. Sie hatte Depressionen, die sie mit dem damals gängigen Medikament behandelt hat, nämlich Cocain. Ihr Verhalten kippt ins Pathologische, sie probiert eine Diät nach der anderen aus, einen Tag nur Orangen und am nächsten Tag nur Milchprodukte. Das alles, um ihre schlanke Silhouette beizubehalten, die ja gar nicht dem damaligen Schönheitsideal entsprach. Sie war aber nie magersüchtig und schon gar nicht bulimisch. Ihr Diäten hingen auch damit zusammen, ob es ihr psychisch gut oder schlecht ging, das kam in Wellen.
Sie kuratieren parallel zum Buch eine Ausstellung im Schloss Halbthurn?
Genau, sie wurde Ende April eröffnet und ist den Sommer über bis 3. November zu sehen. Ich freue mich, dass ich jetzt schon das dritte Jahr eine Ausstellung im Schloss Halbthurn kuratieren darf, das ja noch immer im Privatbesitz von Nachfahren der kaiserlichen Familie ist. Dieses Mal haben wir viele Objekte und Exponate, die eine ganz neue Geschichte erzählen, über bekannte oder ganz unbekannte Habsburger. Viele Exponate sind aus Privatbesitz, was ich immer besonders spannend finde, weil man die noch nicht kennt, darunter zum Beispiel die Chiffriereinrichtung von Kronprinz Rudolf, mit der man nun seine verschlüsselte Korrespondenz entziffern kann. Auch die pomologischen Sammlungen (Wachsäpfel), landwirtschaftlichen Modelle und die Xylothek von Erzherzog Johann, einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten der Familie, faszinieren mich.
Ausstellung über die Habsburger
24. April – 3. November 2024
„Sisi & Co – Die geheimen Leidenschaften der Habsburger“ – Ausstellung im Schloss Halbthurn
schlosshalbturn.com/ausstellung
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Mehr über die Autorin dieses Beitrags:
Betina Petschauer ist Redakteurin bei der STEIRERIN und hauptsächlich für die Ressorts Genuss, Leben, Freizeit, Menschen und Emotion zuständig. Als Foodie zieht sich die Leidenschaft für Essen und Trinken durch alle Bereiche ihres Lebens. Daneben schlägt ihr Herz für Serien, Filme und Bücher, die sie in der Rubrik „Alltagspause“ auch regelmäßig rezensiert.
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