Schauspieler Lukas Miko: „Gemeinsam denkt man weiter als allein.“
Was der Schauspieler liebt und wo man ihn trifft
© Ulrik Hölzel
Der vielfach ausgezeichnete Schauspieler Lukas Miko erhielt heuer den großen Diagonale-Schauspielpreis 2024. Er liebt Graz mit seinen jungen Menschen und ihrer Kunst, das Hügelland der Südsteiermark und den guten Wein.
Der Diagonale-Schauspielpreis 2024 bedeutet dem vielseitigen Künstler Lukas Miko, der auch als Regisseur und Drehbuchautor arbeitet, sehr viel, „denn diesen bekommt man ja nicht für eine Rolle, sondern für einen langen Weg, der bei mir schon über 30 Jahre andauert. Und auf so einem Weg gibt es auch Durststrecken und Arbeitslosigkeit, Zeiten, wo man denkt, man wird vergessen und man findet keine neue Arbeit mehr. Und wenn man dann plötzlich so einen Preis bekommt, der einem sagt: ‚Wir haben deinen Weg sehr wohl wahrgenommen und schätzen, was du machst‘, das hat mich sehr berührt.“ Das zeigte sich auch bei der Überreichung. „Ja, ich lasse Emotionen zu“, lächelt der gebürtige Wiener.
Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, aber ich glaube an ein Leben vor dem Tod.
Lukas Miko
Aber nicht nur dieser Preis bringt ihn in die Steiermark. „Ich liebe Graz mit seinem südlichen Flair und den schönen Begegnungen, vor allem auch während der Diagonale. In der Südsteiermark habe ich vor mehr als 30 Jahren meinen ersten Film gedreht. Und dann lebt auch noch meine Tante und Taufpatin hier.“
Mythos, Meinung, MeToo
Aus sehr tiefgehenden Rollen herauszukommen ist für ihn kein Problem. „Ich halte das ein wenig für einen Mythos, dass man da ein anderer Mensch wäre und Schwierigkeiten habe, zurückzukehren. Man bleibt der Mensch, der man ist, aber man ist sicherlich sehr erschöpft. Im November hatte ich einen Dreh, in dem ich einen Zusammenbruch, einen Heulkrampf spielen musste. Den mussten wir so oft wiederholen, dass ich am Ende einfach total leer war. Und als ich zu Hause war, bin ich erst mal eine halbe Stunde mit meiner Winterjacke auf dem Sofa gesessen, weil ich keine Kraft mehr hatte. Das ist die normale Erschöpfung, die wahrscheinlich jeder hart arbeitende Mensch am Ende des Tages hat. Und ich habe zwei kleine Kinder mit 8 und 13 Jahren, die holen mich rasch in die Wirklichkeit zurück. Der Übergang ist manchmal hart“, lacht er herzlich, „aber nicht im Sinne von anstrengend, sondern unmittelbar.“
Nach kurzem Nachdenken ergänzt er noch: „Im Englischen sagt man so schön ‚Part‘ und nicht ‚Rolle‘. Das ist sehr klug, weil ich als Schauspieler diesen einen Teil in mir suchen muss. Dabei ist mir auch das Nichtwissen als Ausgangspunkt wichtig. Erst mal sage ich, ich kenne diesen Menschen nicht und ich tue jetzt alles, um ihn kennenzulernen. Und das finde ich überhaupt eine schöne Haltung gegenüber anderen Menschen“, erklärt der 53-Jährige, der sich nicht scheut, seine Meinung zu sagen. „Früher habe ich sie schneller rausgehauen, inzwischen habe ich glücklicherweise kapiert, dass man sich diese erst bilden muss. Aber ich empfinde es als Privileg, wenn man durch seine Arbeit Gehör geschenkt bekommt, und muss das nutzen für etwas Relevantes, muss denen eine Stimme verleihen, denen kein Gehör geschenkt wird.“
Auf MeToo angesprochen meint Lukas: „Ich möchte ganz klar festhalten, dass Frauen über Jahrhunderte weniger Rechte hatten und dass ein verzerrtes Frauenbild fatal bis ins Heute hineinwirkt. Deshalb ist es so wichtig, ganz scharf dagegenzuhalten, auch Schutz und Hilfe sowie Compliance-Stellen zu institutionalisieren, wo sich Betroffene von Missbrauch hinwenden können. Und ja, es gibt auch Männer, die von Missbrauch betroffen sind. Nur wagen es Männer vermutlich weniger, darüber zu sprechen, vielleicht aus noch größerer Scham, weil sie glauben, ein bestimmtes Bild von Härte und Stärke aufrechterhalten zu müssen. Es ist aber wichtig, aufzuzeigen, dass es das sehr wohl gibt.“
Familie gibt Kraft
Kraft und Energie schöpft Lukas aus seiner Familie. „Meine Frau und meine Kinder sind mein emotionales Zuhause, das mir die Kraft schenkt, in die Welt zu gehen und mich gewissen Dingen auszusetzen. Und damit meine ich nicht die Rolle der Frau als bloße Unterstützerin, meine Frau ist eine hochreflektierte Performancekünstlerin, die mich politisch und sozial denkend inspiriert. Und meine Kinder sind mir gegenüber liebevoll kritisch und ich lerne viel von ihnen.“ Aus den Medien und Social Media hält er sie heraus. „Ich liebe meine Kinder sehr und manchmal würde ich mein Glück, dass es sie gibt, gerne auch mit Bildern hinausschreien“, schmunzelt er, „aber ich halte mich dann immer zurück, weil ich finde, dass Kinder noch nicht abschätzen können, was damit alles passieren kann.“
In diesem Sommer dreht er zwei neue Kinofilme, den Kinderfilm „Der Prank“ und „Dracula Park“. „In Ersterem spiele ich einen Bösewicht. Darauf freu ich mich, weil das endlich ein Film ist, den meine Kinder sehen können. Und der zweite ist eine kluge, lustige Dracula-Dekonstruktion von Radu Jude, der kürzlich bei der Berlinale den Goldenen Bären gewann.“ Außerdem schreibt Miko an einem eigenen Drehbuch über den Arzt Dr. Ignaz Semmelweis. „Er entdeckte Mitte des 19. Jahrhunderts die Ursache des Kindbettfiebers und die Wichtigkeit der Handwaschungen als Prophylaxe. Aber die Geburtshelfer-Elite bekämpfte ihn und so starben Frauen und Kinder völlig unnötig noch weitere Jahrzehnte. Das ist eine Geschichte, die mir sehr am Herzen liegt. Mein großer Kino-Traum.“
Steckbrief von Lukas Miko
Lukas Miko ist Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur.
Unterwegs: mit Bus, Bahn, Fahrrad
Highlight 2024: Großer Diagonale-Schauspielpreis
Mag: Abwechslung und Vielfalt
Interessiert an: österreichischen Dokumentarfilmen
Glaubt an: Solidarität und Empathie
Liebt: Wander- und Fahrradurlaube mit Familie
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