Evelyn Regner

EU-Parlament: 4 Fragen an EU-Parlamentarierin Evelyn Regner

Unsere Redakteurin im Gespräch mit Evelyn Regner in Straßburg.

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Evelyn Regner setzt sich seit 2009 vor allem für die Gleichstellung der Geschlechter, Steuergerechtigkeit und ein soziales Europa ein. © EP/Alain Rolland

Im EU-Parlament in Straßburg sprach unsere Redakteurin mit der Abgeordneten Evelyn Regner.

Evelyn Regner ist seit 2009 Abgeordnete des Europaparlaments für die S&D (Allianz der Sozialdemokraten) und stellvertretende Delegationsleiterin der SPÖ. Seit 2022 ist sie eine der 14 Vizepräsident:innen des EU-Parlaments und in vier Ausschüssen tätig. Ihre zentralen Themen sind Gleichstellung der Geschlechter, Steuergerechtigkeit und soziales Europa. Regner wird bei der Wahl am 9. Juni erneut kandidieren. Ende April hat das EU-Parlament ein wegweisendes Gewaltschutzpaket verabschiedet.

Worum geht es beim Gewaltschutzpaket?

Einerseits ist die EU nun der Istanbul-Konvention beigetreten. Die besagt, dass es Aufgabe des Staates ist, Gewalt zu bekämpfen. Sie liefert Vorgaben zu Prävention, Schutz und Bestrafung bei häuslicher Gewalt – bei allen möglichen Formen von Gewalt, die systematisch gegen Frauen stattfindet, auch hinter geschlossenen Türen. Die Staaten werden aufgefordert, Kampagnen und Präventionsmaßnahmen gegen Vergewaltigung zu starten. Das bedeutet, dass man im Zweifelsfall auch bis zum europäischen Gerichtshof gehen kann, wenn Staaten säumig sind und etwa keine Maßnahmen setzen.

Neben der Istanbul-Konvention werden weitere und auch neuere Formen von Gewalt vom kürzlich beschlossenen Gewaltschutzpaket abgedeckt – vor allem Cy­ber-Gewalt. Das betrifft das Senden von obszönen Bildern (Cyberflashing), Cyber-Stalking und -Mobbing, Deepfakes (wie etwa das Retuschieren eines Kopfes auf einen anderen Körper) usw. Diese Dinge sind in vielen Ländern noch nicht national geregelt. Aber auch Genitalverstümmelung und Zwangsheirat werden durch das Gewaltschutzpaket verboten und Maßnahmen gegen Vergewaltigung sind umfangreicher.

Was bedeutet der Einwilligungs­ansatz „Nur Ja heißt Ja“?

Das bedeutet, dass Sex ohne Zustimmung als Vergewaltigung gilt. Dieser Ansatz ist auf EU-Ebene leider gescheitert, was ich zutiefst bedaure. Im Europäischen Rat gab es leider keine Mehrheit dafür – insbesondere Frankreich und die deutsche FDP waren dagegen. Aber wir möchten „Nur Ja heißt Ja“ in die nationale Diskussion bringen. Es hält die österreichische Regierung niemand davon ab, das Vergewaltigungsrecht national neu zu regeln, so wie es zum Beispiel in Dänemark, Griechenland, Kroatien, Slowenien und anderen Ländern schon passiert ist.

Evelyn Regner im EU-Parlament
In Regners Büro herrschte Ende April bereits Aufbruchstimmung wegen dem Ende der Legislaturperiode, die feministisch-sozialen Wandsprüche durften allerdings noch hängen bleiben. © Lena Easthill

Auf welche Erfolge können Sie in den letzten Jahren zurückblicken?

Um nur zwei Beispiele zu nennen: Wichtig war das Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat, das eine verpflichtende Frauenquote von 40 Prozent vorsieht. Manche denken, da geht es nur um ein paar Karrierefrauen. Aber es geht um viel mehr: um Sichtbarkeit, um Leading by Example, um Empowern, darum, dass auch andere Ideen dazukommen. Dass wir über Kinderbetreuung sprechen, passiert nicht, wenn hier lauter Männer sitzen. Auch sehr wichtig ist die Lohntransparenz, also gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Künftig können in einem Unternehmen die Löhne von Männern und Frauen in gleichen Positionen transparent mitein­ander verglichen werden. Das Essenzielle dabei ist eine Beweislastumkehr vor Gericht: Das bedeutet, das Unternehmen muss erklären, warum eine ungleiche Bezahlung gerechtfertigt wäre.

Was sagen Sie, wenn jemand meint, die EU-Wahlen sind unwichtig?

Die Wahlbeteiligung war ja bei der letzten Wahl 2019 etwas höher als zuvor, bei 59,8 Prozent. Sie ist deshalb niedrig, weil die Personen, die bei Gemeinde- oder Nationalratswahlen gewählt werden, im Alltag viel präsenter sind. Wir EU-Abgeordneten müssen wirklich viele Personen repräsentieren und es ist schwerer, sichtbar und greifbar zu sein. 100 Prozent aller EU-Gesetze sind unter Beteiligung der Regierungen aller Mitgliedsstaaten zustande gekommen – aber wenn Kritik kommt, heißt es von den Regierungen immer, es liege an „der EU“. Wenn etwas Positives von der EU kommt, wird – egal bei welcher Partei – nie dazugesagt, dass es „Made in Europe“ ist. Und das ist ganz einfach verantwortungslos und wurde unter der Kurz-Regierung auf die Spitze getrieben. Verantwortungsvolle Politik bedeutet: Wir sind nur stark in der EU. Wie soll man zum Beispiel den Klimawandel stoppen? Mit Maßnahmen in Mistelbach? Das wäre ein bisschen schwierig. Wir müssen das gemeinsam machen, ebenso die Frauen- und Migrationspolitik. Die Message ist: Wenn du willst, dass die Dinge weitergehen, in Europa, Österreich und der Steiermark, dann mach auf EU-Ebene mit. Und gerade für Menschen, die nicht durch ein Lobbying-Büro in Brüssel vertreten werden, ist es wichtig, zur Wahl zu gehen, damit sie auch repräsentiert werden.

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Mehr über die Autorin dieses Beitrags:

Betina Petschauer
© Lizz Krobath/Prontolux

Betina Petschauer ist Redakteurin bei der STEIRERIN und hauptsächlich für die Ressorts Genuss, Leben, Freizeit, Menschen und Emotion zuständig. Als Foodie zieht sich die Leidenschaft für Essen und Trinken durch alle Bereiche ihres Lebens. Daneben schlägt ihr Herz für Serien, Filme und Bücher, die sie in der Rubrik „Alltagspause“ auch regelmäßig rezensiert.

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