Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Frauen: Es gibt Hilfe!

Was tun bei Gewalt im eigenen Umfeld?

5 Min.

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Gewalt gegen Frauen zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und wir müssen darüber sprechen.

Der März ist vorbei und somit auch der Weltfrauentag. Der Aufschrei, dass Frauen immer noch nicht gleichberechtigt sind, wird leiser. Aber die Gewalt nicht. Es ist schwierig, sich beim Thema Gewalt auf Zahlen zu verlassen. Gewalt­delikte haben eine der höchsten Dunkelziffern in der Statistik. Die STEIRERIN hat mit Marina Sorgo, der Leiterin des Gewaltschutzzentrums Steiermark und Vorsitzenden des Bundesverbandes der Gewaltschutzzentren Österreich, über Gewalt, Präventionsmaßnahmen und Opferschutz gesprochen.

Interview zum Thema Gewalt gegen Frauen

In Österreich ist jede dritte Frau von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen – laut Statistik Aus­tria. Was muss passieren, um diese Zahlen zu senken?
Marina Sorgo: Jeder Fall von Gewalt ist zu verurteilen, jedoch möchte ich zu Beginn gleich auf diese Statistik eingehen, da man solche Aussagen differenzierter betrachten muss. „Jede dritte Frau“, das bezieht sich auf das ganze Leben einer Frau. Heißt, sie waren irgendwann im Laufe ihres Lebens von einer Form von Gewalt betroffen. Ich sage das deshalb, weil ich in den letzten Jahren bemerke, dass man dahingehend viel Angst schürt: Österreich sei ein Land, in dem die Männer sehr gewalttätig wären. Das möchte ich einfach relativieren, indem man sich die Zahlen genauer anschaut. Das gilt auch für die Frauenmorde. Es wird so dargestellt, als wären wir das Land mit den meisten Femiziden. Das stimmt statistisch gesehen aber nicht. Ja, wir haben mehr Morde an Frauen als an Männern, aber insgesamt ist Österreich ein recht sicheres Land. Es ist sehr wichtig, das Thema der Frauenmorde zu thematisieren, aber wir dürfen keine Horrorszenarien darstellen. Das schadet nämlich auch der Opferschutzarbeit.

Inwiefern?
Es schadet ihr deshalb, weil die Menschen verunsichert werden. Sie haben kein Vertrauen mehr in die Polizei, in die Justiz, in die Opferschutzeinrichtungen. Damit sich Menschen, die Opfer von Gewalt sind, Hilfe holen, braucht es das Vertrauen, dass es Hilfe gibt, dass Behörden ernsthaft daran interessiert sind, ihnen zu helfen, dass es ein Rechtssystem gibt, das hilft. Ich arbeite seit 40 Jahren im Opferschutzbereich und es ist unglaublich wichtig, den Leuten klarzumachen, dass ihnen geholfen wird.

Marina Sorgo
Marina Sorgo, Leiterin des Gewaltschutzzentrums Steiermark © beigestellt

Vieles muss sich ändern

Im März ereigneten sich fünf Femizide an einem einzigen Tag. Was muss in Österreich getan werden, um dieses Ausmaß zu verhindern?
Diese fünf tragischen Morde an einem Tag haben uns natürlich alle erschüttert. Dennoch sagen sie zum Glück nichts Grundlegendes aus über die Situation in Österreich. Es sind drei sehr unterschiedliche Fälle. Aber sie waren ein Anlass dafür, dass die Politik die Wichtigkeit sieht, drauf zu schauen, was verbesserungswürdig ist – wie z. B. nach solchen tragischen Morden Fallanalysen zu machen, um mehr Einblick zu bekommen. Wir wissen allgemein sehr wenig über Morde, schwere Gewalt und versuchte Morde. Durch Fallanalysen werden wir hoffentlich mehr Erkenntnisse kriegen, um wieder neue Unterstützungsangebote anbieten zu können.

Sie betonen immer wieder, dass Gewaltprävention auf Opfer- und Täterseite passieren muss. Wie kann so eine Prävention konkret aussehen?
Täterarbeit muss als Teil des Opferschutzes wahrgenommen werden. Wir wissen, dass Gefährder:innen sehr häufig öfter als einmal Gewalt ausüben. Seit circa zwei Jahren besteht in Österreich die Verpflichtung, dass Menschen, denen gegenüber ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, sich nach diesem Verbot sechs Stunden beraten lassen. Das heißt, sie müssen sich zumindest einmal mit ihrer Gewalt beschäftigen. Und das ist ein wichtiger Anfang, aus dem heraus versucht wird, diese Personen in weitere Programme zu bringen. Da ist die Männerberatung dann die richtige Anlaufstelle. Für uns ist es besonders wichtig, dass wir opfer­orientierte Täterarbeit leisten.

Angebote annehmen

Welche Maßnahmen und Programme gibt es in der Steiermark für Opfer von Gewalt?
Wir haben natürlich ein großes Bundesgewaltschutzpaket, das über alle Bundesländer geht. Das sind eben alle Maßnahmen der Polizei, Prozessbegleitung, die Beratungsstellen für Gewaltprävention und auch die Möglichkeit der Einberufung bei Hochrisikofällen zu sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Die Steiermark ist eines der Bundesländer, die ausgezeichnet vernetzt sind. Wir vom Gewaltschutzzentrum bieten kostenlose Hilfe und Unterstützung für gewaltbetroffene Personen. Sie werden anwaltlich und psychosozial von uns vertreten. Wir begleiten sie zur Anzeigen­erstattung, zu Gericht, wir klären sie über die Abläufe auf. Ansonsten haben wir in der Steiermark Schutzwohnungen. Wir haben ein Frauenhaus, das sehr aktiv ist, und viele Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Wir haben eine enge Zusammenarbeit mit den Kinderschutzzentren, der Kinder- und Jugendhilfe und natürlich auch mit der Männerberatung.

Gewalt
© Unsplash/Marco Bianchetti

Das Gewaltschutzangebot ist in der Steiermark also recht gut ausgebaut. Wieso holen sich so viele von Gewalt betroffene Frauen trotzdem erst so spät Hilfe?
Das beschäftigt uns natürlich immer schon und es gibt viele Erklärungen. In den Gesprächen mit Betroffenen erfahren wir sehr viel von der Gewaltgeschichte, die meist schon bevor die Frauen eine Beratung in Anspruch nehmen, passiert ist. Dabei fällt uns auf, dass viele Frauen Schuld- und Schamgefühle und ein Gefühl der Mitverantwortlichkeit haben. Sie glauben, dass sie daran schuld sind, was passiert ist. Viele sind auch emotio­nal sehr verstrickt in der Beziehung, sie haben Hoffnung, dass es besser wird. Ein wesentlicher Punkt ist auch, wie sehr der eigene Selbstwert geschwächt ist. Wie viel Kraft hat sie selbst noch, um sich aus dieser Situation zu bringen?

Was kann ich tun, wenn ich glaube, dass eine Person in meinem Umfeld von Gewalt betroffen ist?
Es ist sehr wichtig, einen sensiblen Umgang mit der Thematik zu haben. Wesentlich ist dabei, der betroffenen Person die eigene Wahrnehmung klarzumachen. Ihr muss gezeigt werden, dass man sich Sorgen macht. Und ganz wichtig ist es, anzuerkennen, dass sie im Moment vielleicht keine Hilfe annehmen will – Verständnis ist unheimlich wichtig.

Gewalt gegen Frauen: Hier erhältst du Hilfe

  • 24-Stunden-Frauennotruf
    Tel.: 01/717 19
  • Beziehungstelefon 24/7
    Tel.: 0800/20 44 22
  • Frauen-Helpline
    Tel.: 0800/222 555
    www.frauenhelpline.at
  • Gewaltschutzzentrum Steiermark
    Tel.: 0316/774 199
  • Rat auf Draht
    Tel.: 147
  • Autonome Frauenhäuser Österreich
    www.aoef.at
  • Helpchat der AÖF
    www.haltdergewalt.at
  • Männerinfo
    Tel.: 0800/400 777
  • Männernotruf
    Tel.: 0800/246 247
  • Männerberatung Graz
    Tel.: 0316/83 14 14

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