Billie Steirisch
Rosa ist ihre Lieblingsfarbe, sie äußert sich aber auch oft zu den nicht so rosigen Seiten des Lebens: Sängerin und Comedienne Billie Steirisch im Interview.
Als Billie Steirisch erobert Gini Lampl nicht nur die Steiermark, sondern den deutschsprachigen Raum. Gestartet hat ihre Reise in die breitere Öffentlichkeit im Lockdown auf TikTok, wo sie einfach nur ein bisschen „gestört und deppert“ sein wollte. Mittlerweile kann die gebürtige Deutschlandsbergerin dort starke 167.000 und auf Instagram 50.000 Follower:innen vorweisen. Billie Steirisch lebt trotz ihres Künstlernamens in Wien, wo sie am Konservatorium Schauspiel, Gesang und Tanz studiert hat. Die 27-Jährige war für die STEIRERIN AWARDS 2024 in der Kategorie „Entertainerin“ nominiert und hat 2023 ihr eigenes Kernöl rausgebracht. Im Interview sprachen wir aber nicht nur über Lustiges, sondern auch über ernste Themen.
Du warst als Kind am Land oft zu laut oder zu aufgedreht. Wie ist es jetzt für dich, dass du dich nicht mehr verstellen musst?
Billie Steirisch: Es ist befreiend. Ich habe mich früher zwar auch nicht unbedingt verstellt, aber ich habe mich einfach zurückgehalten, und das tue ich jetzt eigentlich wenig. Es war für mich am Anfang arg, wenn bei Kooperationen gesagt wurde: „Sei einfach du selbst, wir wollen dich, wie du bist.“ Ich war es als Schauspielerin gewohnt, ein Skript zu haben und eine Rolle, in die ich mich versetze. Da habe ich mir anfangs gedacht: „Wie? Seid ihr euch sicher? Kann ich das wirklich bringen? Bin ich dem wirklich gewachsen?“ Das war ein Prozess, da die Selbstsicherheit zu bekommen, dass sie das wirklich ernst meinen und ich so sein kann, wie ich wirklich bin.
Dein neuester Song heißt „Ferdl“ – wie würdest du deine Musikrichtung beschreiben? In deiner Instagram-Bio steht „Dialect Dance Pop“.
Ja, den Begriff habe ich mir selbst ausgedacht. Aber ich mache eigentlich zwei verschiedene Stilrichtungen: einerseits Austropop, wenn ich mit meiner Band auftrete, aber es sind auch elektronische und Dance-Elemente dabei. Und andererseits schlägt mein Herz auch für R ’n’ B, Hip-Hop und Electronic Dance Music. Deswegen bringe ich jetzt auch eine EP raus, die diesem Thema gewidmet ist. Sie wird „Furtgehen“ heißen und das werden Songs sein, die man zum oder rund ums Fortgehen hören kann, also eher in Richtung Club- und Dancemusik. Live werden die beiden Stile vereint.
Und englischsprachige Musik habe ich vor und auch noch während der Pandemie gemacht. Aber das ist Ginis Ding. Gini ist die natürliche Person, die englische Musik macht und als Schauspielerin tätig ist. Und Billie Steirisch macht deutschsprachige Musik und Comedy. Ich habe lange überlegt, ob ich mich auf einen Stil festlegen soll. Innerhalb einer EP bleibe ich bei einem Stil, da es eine in sich geschlossene Geschichte ist. Aber mich generell auf einen Stil festzulegen, würde mich zu sehr beschränken.
Trennst du streng zwischen den beiden „Personas“?
Ja, schon. Billie ist auf jeden Fall ein wirklicher Teil von mir, so bin ich. Aber ich bin nicht 95 Prozent der Zeit so. Ich bin sicher per se ein positiver und aufgedrehter Mensch, kein ruhiger. Ich glaube, das kann man auch nicht faken. Aber meine ganz tiefgründigen Seiten, die lernen wahrscheinlich nur Leute kennen, die Gini kennen.
Welcher Part macht dir an deiner Arbeit am meisten Spaß?
Sicher die Musik, weil sie das Heilsamste für mich ist. Videos machen ist cool und ich kann auch Erlebtes in Videos verarbeiten. Aber bei der Musik – ich weiß nicht, ob das eine Eingebung ist – ist einfach alles so natürlich da. Ich überlege mir kein Konzept, bevor ich einen Song schreibe. Es gibt auch Leute, die sich ein Thema überlegen und dazu einen Song schreiben. Aber ich spüre oft was, dann improvisiere ich in einer Fantasiesprache und merke erst im Nachhinein, um welches Thema es ging – das kommt eigentlich erst nach dem kreativen Prozess.
Musik ist so etwas Emotionales, dass du mit den Leuten, die sie hören, total in Verbindung bist – auch wenn das dann vielleicht nur 10 Prozent von deinen Follower:innen sind, aber um die geht es mir eigentlich. Ich habe im Juni einen Auftritt gehabt, da habe ich 50 Fans exklusiv einladen dürfen. Das war einfach so ein anderes Level, weil die jedes Wort vom „Ferdl“ und von „Tränen im Club“ mitgesungen haben. Ich möchte nicht das ganze Jahr lang die gleiche Videoart machen, irgendwann kommt dann ein Einbruch und dann ist deine ganze Existenz erschüttert – ich möchte etwas Echtes.
Was machst du, wenn es dir schlecht geht?
Viel Musik hören und machen. Ich versuche mich einfach abzulenken. Zwinge mich oft selbst dazu, dass ich rausgehe und mir Input hole von Leuten, die mir guttun. Ich verstehe das gut, wenn man depressiv ist und sich denkt, man will nur daliegen und keinen sehen. Auch glaube ich, das ist ein Naturgesetz, dass Leute, die sehr happy sind, auch die todtraurigsten und depressivsten sein können. Ich kann wirklich zutiefst traurig sein und sehr viel weinen. Deswegen gibt es auch Lieder, die die meisten Leute noch nicht gehört haben, die total traurig sind.
Neben deiner lustigen Seite sprichst du auch Themen wie Gleichberechtigung, Frauenrechte oder LGBTIQ an.
Ja, denn wenn man eine Frau ist, kommt man automatisch damit in Berührung: Es ist einfach ein täglicher Kampf, sich zu behaupten und zu etablieren, auch im Comedysektor – es ist immer ein Hindernis mehr als Frau. Und deswegen ist es für mich auch wichtig, das nach außen zu tragen und meine Reichweite zu nutzen. Durch meine Musical-Ausbildung bin ich in die LGBTQIA+-Szene reingerutscht und ich fühle mich da als Hetero-Frau extrem wohl, weil ich auch immer „anders“ als andere war. Die sind einfach auch so crazy und bunt wie ich und nehmen mich voll an. Manche, die da vielleicht Berührungsängste haben, trauen sich gar nicht, da reinzugehen. Ich sehe mich manchmal – nicht, dass ich jetzt der wichtigste Mensch wäre, aber trotzdem – als Bindeglied zwischen der queeren Community und der konservativen Landbevölkerung. Weil ich kenne beide Seiten, ich bin am Land aufgewachsen.
Gab es auch schon Gegenwind?
Natürlich gibt es auch Follower:innen, die mir „entfolgen“, wenn ich mich so „politisch“ äußere. Aber da denk ich mir dann auch: Die können gehen. Es gibt aber auch auf der anderen Seite welche, die so extrem feministisch sind, dass sie mir teilweise Frauenfeindlichkeit vorwerfen. Das Überkorrekte ist aber auch nicht der Weg und ich werde immer irgendwo anecken. Nur weil jemand einer Minderheit angehört, darf man auch nicht sagen, dass die Person alles darf. Die darf sich auch nicht danebenbenehmen. Ich finde, wir müssen uns alle gut benehmen. Das ist für mich das Endziel, egal wie du aufgewachsen bist, du solltest den Willen haben, ein guter Mensch zu sein, der einfach Rücksicht nimmt auf andere.
Man kann einfach feststellen: Hey, wir sind verschieden, aber wir müssen uns nicht hassen und wir müssen uns nicht den Schädel einschlagen. Und das gibt es aber total selten, dass man sich so akzeptiert, wirklich auch von beiden Seiten, sage ich ganz ehrlich. Deswegen spreche ich so was auch an, weil das Themen sind, die mich sehr beschäftigen. Die einen auch manchmal traurig machen, weil ich mir denke: „Können wir nicht alle lieb sein miteinander?“ Ich weiß schon, das ist utopisch, aber es wär so schön.
Was würdest du anderen Frauen raten?
Ich habe oft gemerkt: Wenn ich mich einfach nur benommen habe, wie ich es spüre, egal ob das jetzt stereotypisch eher zu einer Frau oder einem Mann passen würde, dann bin ich am weitesten gekommen. Man sollte wirklich nicht denken, dass man irgendwas nicht kann, weil man eine Frau ist, sondern sich sagen: „Ich spüre das, mir würde das Spaß machen.“ Ich würde auch empfehlen, sich mal selbst zu überschätzen und zu viel zu machen, ist ja wurscht, mein Gott. Mein Tipp ist, das Leben als ein Theaterstück zu sehen – man sollte es nicht zu ernst nehmen, es geht fast nie um Leben und Tod. Sei einfach, wie du bist.
Was steht in nächster Zeit an?
Es kommt viel neue Musik, im Herbst wird auch ein Banger dabei sein, der zumindest die Steiermark aus den Angeln reißen wird (lacht). Dann kommt eben die EP „Furtgehen“. Es sind auch einige Konzerte geplant, auch in Graz. Beim Merch kommen ein paar Zusatzfeatures. Und nebenbei bin ich auch noch als Sprecherin tätig, aktuell spreche ich Werbespots für ein Möbelhaus. Und mit der steirischen Biermarke Puntigamer habe ich künftig eine große Kooperation, die passt hervorragend zu mir und ist regional verwurzelt.
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Mehr über die Autorin dieses Beitrags:
Betina Petschauer ist Redakteurin bei der STEIRERIN und hauptsächlich für die Ressorts Genuss, Leben, Freizeit, Menschen und Emotion zuständig. Als Foodie zieht sich die Leidenschaft für Essen und Trinken durch alle Bereiche ihres Lebens. Daneben schlägt ihr Herz für Serien, Filme und Bücher, die sie in der Rubrik „Alltagspause“ auch regelmäßig rezensiert.
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