Intim – Anaïs Horn im Portrait
Es ist der Sinn für subtile Theatralik, der die Kunst von Anaïs Horn so ansehnlich macht, die Facetten des Frauseins aufzeigt und bei Betrachtenden ein intimes Déjà-vu hervorruft.
© Gerard Landa Rojano
Die Leichtigkeit schwingt in Paris mit, wie ein Hauch von Frühling, der sich über die Champs-Élysées legt und die Stadt in ein Blütenmeer der Hoffnung taucht. Leichtigkeit wie Hoffnung sind vielleicht gerade deshalb so stark in den Werken der Grazerin Anaïs Horn verwurzelt, die seit 2017 in Paris lebt. Zum einen, weil sie Momente der Intimität untersucht und dabei Gefühle, Geheimnisse und Erinnerungen darstellt. Aber auch, weil sie Tabuthemen wie etwa eine ungeplante Schwangerschaft und Fehlgeburt künstlerisch verarbeitete und schmerzliche Emotionen in starke Bilder übersetzte. Denn irgendwann wandelt sich alles einmal in Hoffnung. Und selbst darauf dürfen wir hoffen.
Weit weg vom Wiener Grant und dem allgemein niedrigen Energielevel in Österreich, wie die Künstlerin selbst ihren Eindruck festhält, hat Anaïs Horn in Paris ihre neue Heimat gefunden. Sie lebt mit ihrem Partner, Eilert Asmervik, einem norwegischen Maler und Musiker, im 11. Arrondissement, arbeitet zu Hause, auf Reisen oder in ihrem Pariser Atelier im Quartier d’Aligre, das mit großen Fenstern den Blick auf den ruhigen Innenhof-Garten freigibt.
„Ich behandle Themenkomplexe mit den Medien, die mir dafür geeignet erscheinen“
Horn hat sich in den letzten Jahren durch ihre Künstler:innenbücher, die auf diversen Festivals ausgezeichnet wurden, einen Namen gemacht. In ihren Werkreihen verbindet die gebürtige Grazerin Fotografie mit Malerei und Text und arbeitet interdisziplinär am Endprodukt, um sich intimeren und schwierigeren Themen anzunähern. „Ich behandle Themenkomplexe mit den Medien, die mir dafür geeignet erscheinen“, so die Wahl-Pariserin. „Dazu zählen Fotografie, bewegtes Bild, Sound, Text, Zeichnung, Malerei und Installation. Oder wie zuletzt für mein Projekt ,Longing Ghosts in Deep Blue Paranoia‘, das auf der Paris Photo 2022 präsentiert wurde und gerade in meiner Galerie in Mexico City gezeigt wird, auch eine olfaktorische Installation, für die ich mit der Parfumeurin Pauline Rochas kollaboriert habe.“
Ein Leben voller Kunst
Design, arbeitete danach im Mode- und Publishing-Umfeld und entschloss mich dazu, künstlerische Fotografie zu studieren“, erzählt Anaïs vom Anfang der Selbstständigkeit als Künstlerin. Heute sind ihre Künstler:innenbücher wichtiges Medium für ihre Arbeiten geworden. Seit 2020 hat Horn mit Edition Camera Austria/Graz, Meta/Books Amsterdam und DCV Berlin veröffentlicht. „Letztes Jahr habe ich in Paris gemeinsam mit der Kreativdirektorin Boah Kim unseren eigenen Kunstbuchverlag ,Drama Books‘ gegründet.“
Unter der Oberfläche
Für ein Thema arbeitet sich die Künstlerin viele Monate lang ab; so entstehen häufig keine einzelnen Arbeiten, sondern umfangreiche Werkkomplexe, die oftmals durch Publikationen ergänzt und erweitert werden. „Voraussetzung dafür ist, dass ein Thema mein unerschöpfliches Interesse weckt.“ Denn ihre Arbeiten sind stark mit ihrem Wesen verknüpft: „Ich interessiere mich für das, was unter der Oberfläche liegt.“ Daraus formiert sich das Konzept einer Arbeit meist in der Recherche, im Austausch und im Arbeitsprozess selbst.
Ausgangspunkt für die Arbeit „Longing Ghosts in Deep Blue Paranoia“, die aktuell in Mexico City gezeigt wird, waren zum Beispiel die persönlichen Briefe von Charlotte von Belgien an ihren Mann Maximilian von Habsburg. Während einer Research Residency in Triest entwickelte Horn ein Projekt um die gleichermaßen interessante wie tragische Person, die nach ihrer Hochzeit mit Maximilian und nach dessen Tod und ihrer Diagnose als Geisteskranke für einige Jahre in Miramare gelebt hat. „Auf Basis meiner Recherchen entwickelte ich einen multimedialen Werkkomplex, der sich mit unerfüllter Leidenschaft, Paranoia und der Unheimlichkeit von Räumen und Orten auseinandersetzt.“
Ob der selbstständige Beruf als Künstler:in heute noch funktioniert? Für Horn: ja! Weil die enge Zusammenarbeit mit passionierten Kurator:innen, Autor:innen, Verlagen und Galerien ihr wichtig ist und immer wieder neue Sichtweisen auf die eigene Arbeit eröffnet. „Ständig in Bewegung zu bleiben und im besten Fall eine Artist Residency pro Jahr in einem neuen Umfeld zu absolvieren, hilft mir dabei, Themen weiterzuentwickeln und international im Austausch mit anderen Kunstschaffenden zu sein.“
Weitere Artikel zu diesem Thema
Abo