Der König der Lacher
Sänger und Kabarettist Paul Pizzera im Interview über seinen neuen Roman und das Tabuthema Suizid
Paul Pizzera über sein neues Buch der König der Möwen
Bereits in seinem 2020 erschienenen Debütroman „Der Hippokratische Neid“ stellte Paul Pizzera psychische Probleme und den Gang zu Psychotherapeut:innen in den Mittelpunkt. Im Roman begleitet man den „Proleten“ Herrn Pfingstl zu seiner ersten Sitzung. Im Zuge dessen gab Pizzera in der Öffentlichkeit bekannt, dass auch er bereits psychologische Unterstützung in Anspruch genommen hatte.
In Pizzeras neuem (am 3. März erscheinendem) Werk „Der König der Möwen“ will sich Herr Pfingstl nun vom Balkonsims seiner Hotelzimmersuite stürzen, wovon ihn seine Therapeutin abzuhalten versucht. Wie er zu diesem Setting kam, erzählt Pizzera im STEIRERIN-Interview.
STEIRERIN: Warum schreibt ein so lustiger Kerl wie du ein Buch zu so einem ernsten Thema wie Suizid?
Paul Pizzera: Genau deshalb. Weil man Menschen mit dem Hebel Humor auch zu einem ernsten Thema hinführen kann. Die Quintessenz des Buches ist – wie auch beim Vorgänger –, die Angst vor Psychotherapie zu verlieren. Dass man die Scham, das Tabu, das Hilfesuchen nicht als Schwäche begreift, sondern seinen falschen Stolz und die vermeintliche Souveränität, die man tagtäglich ausüben muss, vor der Gesellschaft ad acta legt. Es ist einfach so, dass sich Männer immer noch viel schwerer tun, sich einzugestehen, dass sie Hilfe brauchen. Da habe ich mir gedacht, mit meinem XYZ-Promi-Status kann ich anderen helfen, wenn ich „zugebe“, dass ich auch einmal zur Therapie gegangen bin und es mir nicht geschadet hat. Es soll aber natürlich keine Zwangsmissionierung sein, dass jede:r eine Therapie braucht. Aber viele haben Angst davor, und das muss man nicht.
STEIRERIN: Herr Pfingstl wird im Buch verlassen. Müssen Trennungen immer negativ sein?
Paul Pizzera: Sowohl verlassen werden als auch verlassen kann wahnsinnig wehtun. Es ist in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch etwas Trauriges, wenn sich zwei Menschen trennen. Eigentlich müsste man aber gratulieren, denn eine Person war nicht mehr glücklich und die andere sollte auch nicht mit jemandem zusammen sein, der nicht glücklich ist. Also eigentlich ist eine Trennung etwas sehr Positives, wenn man es pragmatisch betrachtet. Außerdem ist Selbstliebe meiner Meinung nach etwas sehr Wichtiges, und dass man sich auch mal mit sich selbst beschäftigt und es alleine aushält.
STEIRERIN: Was sind die Dinge, die dein Leben lebenswert machen?
Paul Pizzera: Ohne Musik würd’ ich mir ganz, ganz schwertun. Das ist meine erste und wird wahrscheinlich auch irgendwann meine letzte Liebe sein. Und ansonsten ist das bei mir wie bei allen anderen Menschen auch: Familie, Freunde, Natur, gutes Essen, hin und wieder mal ein Vollrausch (lacht). Ich bin schon sehr lebensfroh, glaub ich, manchmal mehr, manchmal weniger natürlich.
STEIRERIN: Hast du einen Rat, wie man sich in Zeiten wie diesen seine seelische Gesundheit bewahren kann?
Paul Pizzera: Reden. Reden, reden, reden, ausformulieren, fragen. Kommunikation ist der Schlüssel dazu, dass man sich besser kennenlernt, dass man streitet. Und Spaß haben und Gutes tun. Man darf nicht daran zweifeln, dass man genügt. Die Wertschätzung sollte man sich selbst geben.
STEIRERIN: Wie wichtig ist dir schwarzer Humor im Alltag?
Paul Pizzera: Für mich ist es eine Resilienzstrategie, die reine Notwehr, dass ich mich über Tragisches manchmal lustig mache, weil ich sonst das ganze Gewicht nicht mehr stemmen könnte. Ich glaube, es ist wichtiger, an seinen Taten gemessen zu werden und Gutes zu tun, als daran, worüber man lacht.
STEIRERIN: Österreich unternimmt erste zaghafte Schritte, um Sterbehilfe zugänglicher zu machen. Wie stehst du dazu?
Paul Pizzera: Ambivalent natürlich. Aber es gibt Menschen, die schon seit Jahren leiden und nicht mehr leben wollen. Bei mir hat das einen bestimmten Grund, dass ich das thematisiere: Ich habe einen Freund, der nach einem Unfall sagt, dass er nicht mehr leben möchte, das kommt auch im Buch vor. Diese ethische Entscheidung, wann man Sterbehilfe leisten darf und wann nicht, muss mit Sicherheit noch diskutiert werden.
In Österreich gibt es dreimal mehr Suizide als Verkehrstote pro Jahr! Da wären Präventivmaßnahmen nötig. Sicher, wenn die Psychotherapie eine Kassenleistung wäre, explodierten am Anfang die Kosten, aber langfristig rentiert es sich, weil die Menschen dann lebensfähiger sind. Und man muss sich die Zwickmühle einer Person vorstellen, die sich zu einer Therapie durchringt und dann merkt: Ich kann es mir nicht leisten. Dann wartet man 6 bis 8 Monate auf einen Kassenplatz. Es muss mit dem/der Therapeut:in auch erst mal passen, und dann heißt es vielleicht auch noch, man ist „wählerisch“.
Niemand muss Angst vor einer Psychotherapie haben. Um Hilfe zu bitten, ist etwas sehr Starkes.
Paul Pizzera
STEIRERIN: Hattest du beim Schreiben des Buchs eine spezielle Zielgruppe im Sinn?
Paul Pizzera: Nein, ich denke, es gibt viele, die merken: Ich bin nicht glücklich, aber ich weiß nicht, was los ist. So ging es mir auch. Und ich glaube, wir sind viele. Und das kann dann schnell gehen, dass man von „es groovt nicht“ zu einer Depression und zu Suizidgedanken kommt. Darum hoffe ich, dass sich zumindest eine Person im Buch wieder-findet und merkt, dass sie nicht allein ist.
STEIRERIN: Wie hoch stehen die Chancen, dass du bei deinem nächsten Buch die 100-Seiten Marke knacken wirst? (Anmerkung: Die ersten beiden hatten 80 Seiten.)
Paul Pizzera: Ich habe noch keine Fortsetzungspläne, aber generell haben wir die Reihe ja „Die Kunst der Stunde“ genannt, weil man das Buch in einer Stunde durch hat. Also ich schließe es nicht aus, aber da muss mir schon eine richtig geile Geschichte einfallen. Aber Länge und Inhalt hängen ja nicht unbedingt zusammen. Was ich schon an 1.000-Seiten-Wälzern gelesen habe, die eine echte Zeitverschwendung waren! Und dann sieht man ein Graffiti und denkt sich: Wow, geil.
Im Doppelpack
Pizzera & Jaus touren mit ihrem aktuellen Programm „Comedian Rhapsody“ durch das ganze Land. So werden etwa bei der Eröffnung der neuen Stadthalle in Kapfenberg am 31. Mai 5.000 Besucher:innen erwartet. Mit dabei sind dort auch Rian, Ina Regen und Folkshilfe.
Tickets unter oeticket.com, bei allen oeticket-Partnern und bei spark7 (über George).
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