Toxische Beziehung

Toxische Beziehung: So erkennst du die Anzeichen

Wir haben mit einer Expertin gesprochen. 

6 Min.

© Nicholas Gercken / Unsplash

Während es bei den einen perfekt läuft, finden sich andere in Partnerschaften wieder, die einer emotionalen Achterbahnfahrt gleichen. Wie erkennt man Anzeichen dafür, dass man eine toxische Beziehung führt – und wie kommt man davon los? Wir haben mit einer Expertin gesprochen. 

„I’m addicted to you. Don‘t you know that you‘re toxic?“

So lautet eine Zeile aus Britney Spears’ Hit “Toxic”, der die Dynamik einer toxischen Beziehung in der Realität sehr gut beschreibt. Denn diese ähneln teilweise tatsächlich einer Sucht, von der man nicht loskommt. Sie beginnen oft mit einer Überhäufung an Aufmerksamkeit und Zuneigung, doch irgendwann kippt die Stimmung und der dominierende Partner beginnt, den anderen zu kritisieren, zu manipulieren oder sogar zu isolieren. Es entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis, von dem sich viele nur schwer lösen können, erklärt die psychologische Beraterin Alexandra Gutmannsthal-Krizanits im Interview. Sie erlebt in ihrer Praxis immer wieder Frauen, die in toxischen Beziehungen feststecken, und hilft ihnen dabei, sich wieder selbst zu ermächtigen und ihr eigenes Leben zu gestalten. Der erste Schritt aus der toxischen Partnerschaft beginnt damit, die Anzeichen dafür zu erkennen. 

„A guy like you should wear a warning“

Die Warnsignale für eine ungesunde Beziehung rechtzeitig zu sehen, ist allerdings nicht immer einfach, denn diese sind oft nicht eindeutig. Auch Britney wünscht sich in „Toxic“, toxische Männer würden ein Schild tragen, um Frauen vor ihnen zu warnen. In der Realität müssen wir die „Red Flags“ allerdings selbst erkennen, um uns der problematischen Dynamik bewusst zu werden. Laut Gutmannsthal-Krizaniits erscheint in toxischen Partnerschaften anfangs alles wie ein Hauptgewinn. Der dominierende Partner schenkt Aufmerksamkeit und gemeinsame Zukunftspläne werden geschmiedet.

Das kann sich aber schnell ändern: „Nichts ist für den anderen gut genug. Sei es der Körper, das Verhalten oder auch der gesellschaftliche Status des Gegenübers. Es gibt keine Entschuldigungen mehr, vielmehr ist die unterdrückte Person immer schuld. Die Selbstwahrnehmung schwindet, das Selbstbewusstsein leidet. Isolation von Freunden und Familie folgt. Sätze wie ‚Ohne mich bist du nichts!‘ oder ‚Du bist zu empfindlich‘ sind so typische Alarmsignale, bei denen man vorsichtig sein sollte, wenn sie öfter fallen.“, warnt die Expertin und betont: „Wenn Menschen in Beziehungen sind, gibt es immer Höhen und Tiefen. Das ist ganz normal. Wenn aber die Tiefs häufiger werden und es zu langfristigen Abwertungen kommt, dann ist Feuer am Dach.“

„You‘re dangerous, I‘m loving it“

Die langfristigen Auswirkungen toxischer Beziehungen sind nicht zu unterschätzen: „Das Abhängigkeitsverhältnis wird immer stärker. Durch den Verlust von Sozialkontakten verliert man ein wenig den Realitätsbezug, denn wenn man immer nur innerhalb der Zweierbeziehung über Privates kommuniziert, hat man keinen Bezug mehr zur Welt außerhalb dieser Blase. Ein Leben ohne den Partner oder die Partnerin scheint völlig unvorstellbar“, weiß Gutmannsthal-Krizanits. Es ist vor allem die gezielte Manipulation, die den Großteil einer toxischen Beziehung ausmacht und die schwächere Person in ihrem Denken und ihrer Selbstwahrnehmung langfristig stark beeinflusst. Umso wichtiger ist es, einen Weg aus diesem Abhängigkeitsverhältnis und wieder zu sich selbst zu finden. Doch wie kann das gelingen? 

„There’s no escape“.

Auch, wenn die Situation oftmals aussichtslos scheint – wie auch Britney in „Toxic“ zu glauben scheint – gibt es immer einen Weg aus dem Abhängigkeitsverhältnis. Hat man die problematische Dynamik erst einmal erkannt und akzeptiert, können Betroffene handlungsfähig werden und selbst die Kraft finden, die gewohnte toxische Umgebung zu verlassen. Ein offenes Gespräch mit Freunden oder Familie darüber, wie es einem in der Beziehung geht und dass man diese beenden will, ist der nächste Schritt. „Um Hilfe zu bitten, ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Denn es zeigt, dass man wieder Verantwortung für das eigene Leben übernehmen möchte.

Die Trennung selbst ist, wie jede andere auch: schmerzhaft und besser zu ertragen, wenn einen jemand auffängt und man sich ein wenig ablenken kann“, so Gutmannsthal-Krizanits. Weiteres rät sie, die Verbindung zum toxischen Partner oder der Partnerin ganz radikal zu kappen: „Klar muss aber sein: Es gibt kein Zurück, denn das Schlimmste, was man diesen Menschen antun kann, ist, ihm die Bewunderung zu nehmen, die er so sehr braucht für sein eigenes Selbstbewusstsein. Deshalb wird er bzw. sie nicht lange alleine bleiben. Ich empfehle dringend das Blockieren bzw. Löschen aller Verbindungen zu dieser Person (Social Media, Whatsapp), denn zu sehen, dass sie nach kurzer Zeit wieder verliebt ist, obwohl man selbst am Boden liegt, tut einem nicht gut.“

Wenn es den Betroffenen nicht gelingt, sich alleine zu lösen, gibt es „zahlreiche telefonische Beratungsmöglichkeiten oder auch physische Beratungseinrichtungen“, betont Alexandra Gutmannsthal-Krizanits und empfiehlt: „Eine weitere Möglichkeit ist es, sich mithilfe von psychologischer Beratung selbst zu ermächtigen, die Beziehung zu beenden. Das ist sicherlich die nachhaltigste Variante. In meiner Beratung stärken wir erst das Selbstbewusstsein und hinterfragen gleichzeitig die Dynamiken der Beziehung.“ Gemeinsam mit ihren Klientinnen erarbeitet sie außerdem ein Ausstiegsszenario. Aus ihrer Erfahrung braucht es etwa fünf bis zehn Sitzungen, bis die Frauen handlungsfähig sind. „Manchmal macht es Sinn, danach noch mit einem Psychotherapeuten zu arbeiten“, so die Expertin. Zudem empfiehlt sie, sich im Fall psychischer Gewalt, die häufig in toxischen Beziehungen vorkommt, an Anlaufstellen wie dem Opfernotruf zu wenden.

„I can‘t wait“

Hat man die toxische Dynamik einer Beziehung erkannt, darüber gesprochen und sich Hilfe für den Weg aus dem Abhängigkeitsverhältnis geholt, bleibt eines besonders wichtig: Geduld. Auch, wenn das Warten schwerfällt, braucht es Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten und zu reflektieren: „Wo waren Alarmsignale und warum hat man sie so nachhaltig ignoriert? Warum hat man nicht auf das eigene Bauchgefühl gehört? Oder warum hat man Bedenken von Freundinnen ignoriert?“, rät die Expertin. Gleichzeitig ist dieser Prozess wichtig, um die eigenen Grenzen zu erkennen, den Selbstwert wieder zu stärken und seine eigenen Werte klar zu definieren, um in Zukunft nicht wieder in einer toxischen Beziehung zu landen. 

16 Anzeichen für eine toxische Beziehung

Laut einer kanadischen Studie aus dem Jahr 2021 gibt es insgesamt 16 Warnzeichen, die als Indiz für eine toxische Beziehung gelten:

  1. Du hast Sex mit deinem Partner/deiner Partnerin, obwohl du nicht in Stimmung
  2. Du kannst zu deinem Partner/deiner Partnerin nicht „Nein“ sagen
  3. Dein Partner/deine Partnerin gibt keine Fehler zu
  4. Dein Partner/deine Partnerin vergleicht dich mit anderen
  5. Dein Partner/deine Partnerin reagiert genervt, wenn du etwas ablehnst
  6. Dein Partner/deine Partnerin lehnt deine Meinung ab, wenn sie nicht mit seiner übereinstimmt
  7. Du kannst dich in der Arbeit nicht konzentrieren, weil du in Gedanken immer bei deinem Partner/deiner Partnerin bist
  8. Dein Partner/deine Partnerin hat dich öffentlich in Verlegenheit gebracht
  9. Dein Partner/deine Partnerin verhält sich arrogant und überheblich
  10. Dein Partner/deine Partnerin hat versucht, dich zu ändern
  11. Dein Partner/deine Partnerin unterstützt dich nicht
  12. Dein Partner/deine Partnerin kritisiert dich häufig
  13. Dein Partner/deine Partnerin hat unrealistische Erwartungen an eure Beziehung
  14. Dein Partner/deine Partnerin geht dir aus dem Weg
  15. Dein Partner/deine Partnerin hat etwas gemacht, worum du ihn/sie eigentlich gebeten haben, es nicht zu tun
  16. 1Dein Partner/deine Partnerin hat damit gedroht, dich zu verlassen

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