Wo bist du, Libido? Hol dir deine Lust zurück!
Sexualberaterin gibt Tipps
© Pexels/Khoa Võ
Wie lange guter Sex dauern sollte, ist eine Frage, die sich manche Frau mit verringerter Libido gar nicht erst stellt. Denn sie hat ohnehin keine Lust auf Sex. Mögliche Gründe sind körperliche Beschwerden, wie Endometriose oder das PCO-Syndrom. Viel häufiger aber sind: Stress, Mental Load und falsche Vorstellungen von Sexualität. Doch jede Frau kann ihre Libido stärken – die Wiener Sexualberaterin Nicole Siller sagt, wie frau das anstellen kann.
Interview mit Sexcoach Nicole Siller: Wie kommt die weibliche Libido zurück?
Psychologische Beraterin, Autorin und Sexualberaterin: Nicole Siller coacht Frauen und Paare, die Probleme mit ihrer Sexualität haben. Von ihrem Online-Kurs frauen.lust haben bereits mehr als 150 Frauen profitiert – und 1 Platz für den Kurs kannst du bei uns gewinnen!
Frau Siller, warum kommen Frauen zu Ihnen?
Nicole Siller: Das ist ganz unterschiedlich. Manche Frauen verspüren weniger Lust beim Sex. Andere spüren sich selbst nicht mehr so intensiv wie früher. Bei manchen findet in der Beziehung gar keine Sexualität mehr statt.
Ich berate aber auch manche Frau, die sich sehr viele Männer „aufgerissen“ und eine sehr extreme Libido gelebt hat. Diese Frauen haben es dabei aber versäumt, auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten.
Woran liegt es, dass frau eine verminderte Libido und oft keine Lust auf Sex hat?
Hier gibt es verschiedene Gründe. Stress ist bei Frauen wie auch Männern der absolute Lustkiller. Genau wie Sorgen um globale Themen. Auch eine Mehrfachbelastung durch Job, Haushalt und Familie ist ein Grund, dass frau eine verminderte Libido und keine Lust mehr auf Sex hat.
Ganz essenziell ist auch: Viele Frauen und Männer versuchen Sexualität und Liebe so zu leben, wie sie glauben, dass sie stattzufinden haben. Schuld daran sind einerseits Pornos, aber auch Hollywood-Filme, wo Paare meist nach großem Drama und Hin und Her am Ende doch die große Liebe finden. Dann enden die Filme meist. Ich glaube, dass es dadurch seltsame Erwartungen an Lust und Liebe gibt.
Ich habe die Erfahrung gemacht: Schafft es der Mann beim Sex, die Frau anzutörnen, macht das wiederum häufig den Mann an. Auf Ihrer Website lebendich.at berichten jedoch einige Frauen, in ihren Beziehungen sei es wichtiger, dass der Mann kommt und gut performt. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Das kann ich bestätigen. Für viele Männer ist es total erregend, wenn sie spüren, dass sie ihre Partnerin erregen können. Trotzdem ist es auch richtig, dass in vielen Beziehungen seine sexuellen Bedürfnisse wichtiger sind als ihre. Auch das liegt meiner Meinung nach zum einen an der Pornoindustrie. Aber auch geschichtlich betrachtet war es früher wichtig, den Mann als Versorger und Ernährer zu halten und ihn möglichst friedlich bzw. befriedigt zu stimmen.
Heute aber leben wir in einer völlig anderen Zeit. Frauen sind besser gebildet, unabhängiger und haben mehr Möglichkeiten. Doch in der Sexualität sind wir nicht dort, wo wir sein könnten. Zumindest noch nicht alle. Ich erlebe zwar bei Frauen, auch bei jungen, dass sie sich sexuell anders erleben lernen, mehr ausprobieren. Leider machen manche das nur, weil sie denken: Es ist cool, offene Beziehungen oder polyamorös zu leben oder auch einen Gang Bang auszuprobieren. Genau da liegt das Problem, denn wir vergessen dabei, uns zu fragen: Ist es mir wirklich ein Bedürfnis, das auszuprobieren?
Es gibt aber auch die andere Seite: Männer, die sich nach ihrem Samenerguss trotz Müdigkeit und Erschöpfung noch um die weiterbestehende Erregung ihrer Frau kümmern. Entweder mit oraler oder manueller Stimulierung oder auch mit einem Vibrator.
miteinander reden: Ohne Scham & Tabu
Welche Rolle spielt Kommunikation mit der:dem Liebsten in einem erfüllten Sexleben?
Kommunikation ist sehr wichtig. Das Problem: Ganz viele Frauen schaffen es nicht, konstruktiv und positiv über ihre Wünsche zu sprechen. Sie warten, bis sie frustriert sind. Dann ist die Kommunikation eher demotivierend. Ich coache auch Paare und höre manchmal von Männern: Meine Partnerin rollt mit den Augen, wenn ich sie oral befriedige – da ist es dann aus bei mir. Das ist natürlich verständlich.
Das eine Problem ist: Wir haben nicht gelernt, ohne Tabus und Scham über Sex zu reden. Das andere ist: Die Bildung fehlt. Sehr viele Frauen wissen gar nicht, was Vulva, Vagina oder Klitoris genau bezeichnen. Schlimm ist ja, dass in österreichischen Biologiebüchern erst seit wenigen Jahren die Klitoris mit all ihren Schenkeln und Schwellkörpern korrekt abgebildet ist. Vorher dachten viele, sie sei nur eine Lustperle.
Und wie lerne ich, meine sexuellen Bedürfnisse zu kommunizieren?
Wer über Sex reden möchte, sollte das nicht während des Geschlechtsverkehrs tun. Besser wäre bei einem Spaziergang oder auch beim gemeinsamen Essen.
Am besten vor dem Gespräch über folgende Fragen nachdenken: Was hätte ich gerne? Was würde ich mir wünschen? Wovon träume ich? Das darf alles sein, das ist noch lange kein Bestellformular, das der:die andere unbedingt zu erfüllen hat. Man äußert erstmal Wünsche.
Wichtig ist auch die richtige Wortwahl. Viele Frauen beispielsweise finden das Wort „ficken“ – außer in einer eh schon erregten Situation – eher abtörnend. Männer törnt das Wort dagegen oft an. Auch darüber sollte gesprochen werden. Ich erlebe oft, dass Männer dann erst verstehen, die Frau erregt das nicht, im Gegenteil. Mann reagiert dann meist so: Aha, gut, dann sage ich eben was anderes. Welche Worte passen für dich, Schatz?
Wie lernt frau also, lustvollen Sex zu erleben, sich selbst zu erlauben, sich fallen zu lassen und zu genießen anstatt zu performen?
Ein:e vertrauensvolle:r Spielgefährte:in ist in einer Beziehung sehr wichtig. Und wie bereits erwähnt spielt gute Kommunikation eine große Rolle.
Wichtig ist aber vor allem, sich selbst zu gestatten, auszuprobieren und zu spielen, herauszufinden: Was bedeutet „sich fallen lassen“ für mich? Das hat nichts damit zu tun, dass man gegen den Sexpartner arbeitet. In dem Moment wo eine Frau ihre Sexualität, ihre sexuelle Kraft und Energie wirklich spüren und leben kann, profitiert auch ihr Gegenüber davon.
Ausprobieren darf durch Solosex passieren, aber auch anders. Manche möchten zum Beispiel ohne Höschen aus dem Haus gehen und sind total erotisiert. Wenn frau sich hingeben lernen möchte, geht das in den meisten Fällen in kleineren Schritten und nicht mit Zwang.
Zusammengefasst: Sich gestatten auszuprobieren, zu spüren, die Sinne zu aktivieren – ohne Zwang und Selbstoptimierung.
Sinne anregen: Sich wieder mehr spüren
Apropos „sich spüren“: Warum spüren wir uns beim Sex nicht (mehr)?
Da möchte ich zwei Themen aufgreifen: Zum einen haben viele von uns einen hohen Social- Media-Konsum. Nicht falsch verstehen: Ich bin ein Fan von Social Media. Aber wir haben alle nicht gelernt, in der richtigen Dosierung damit umzugehen. So geht der Trend leider dahin, dass wir uns immer schwerer tun, uns auf eine Sache zu konzentrieren. Das hat sehr viel damit zu tun, dass wir uns weniger spüren.
Zum anderen höre ich von vielen Klienten und Klient:innen: In ihren Arbeitsbereichen wird Personal eingespart, der Druck wird immer größer und man funktioniert nur noch. Wir leben in einer Zeit, wo wir zu viel im Außen sind und zu wenig bei uns selbst.
Haben Sie Tipps, wie frau lernt, sich wieder mehr zu spüren und bei sich zu sein?
Ich habe einen Podcast, der heißt „Sex und Essen“. Dort habe ich bereits darüber gesprochen, dass wir Frauen tendenziell mehr aufnehmen als Männer – beim Sex wie beim Essen. Frau kann wieder gut ins Spüren reinkommen, wenn sie ab und zu einen Bissen von einer beliebigen Mahlzeit ganz bewusst wahrnimmt.
Das klappt so: Sich den Bissen anschauen und sich fragen: Was esse ich da eigentlich? Daran schnuppern: Wie riecht das? Dann mal in den Mund nehmen und spüren: Was hat das für eine Temperatur, welche Konsistenz? Schmecken: Ist es süß, scharf, salzig, sauer? Dann langsam kauen und hören: Ist es knusprig, cremig usw.?
Sich spüren lernen funktioniert über die Sinne?
Genau. Neben den Sinnen spielen aber auch Glaubenssätze eine Rolle – beim Essen wie beim Sex. Wir verirren uns oft in „Ich darf dies nicht“, „Das ist schlecht, das ist gut“. Besser ist: hineinspüren. Tut mir das jetzt gerade gut? Zum Beispiel: Tut es mir gut, wenn ich jetzt noch ein Stück Kuchen esse?
Sich mit sich selber verbinden ist unglaublich wichtig. Buben lernen von klein auf, ihren Penis richtig in die Hand zu nehmen, damit sie mit dem Urinstrahl auch die Kloschüssel treffen. Mädchen brauchen das nicht und sind so auch nicht ständig in Kontakt mit ihrem Geschlechtsteil.
Unsere Sinne sind aber die Verbindung vom Erleben zum Gehirn. Das Gehirn füttert wiederum unsere neuronalen Verbindungen zum Körper. Das heißt: Jede Körperstelle, die ich oft streichle, wird sensitiver. Diese Körperstelle wird wieder erlebbarer. Wer einfach mal seine eigene Vulva untersucht, mal reinspürt, beispielsweise bei der Intimpflege oder mit einem Babyöl entdeckt – vielleicht auch den:die Partner:in entdecken lässt – findet vielleicht neue erogene Körperstellen.
Mir haben viele Frauen erzählt, dass es für sie total erotisierend ist, den Venushügel zu massieren. Oder auch einfach jetzt mal in den Körper reinspüren: Kannst du deine Vagina spüren oder auch deine Klitorisspitze, ohne anfassen? Viele können das nicht mehr. Das kann frau üben und so die Wahrnehmung schulen, für eine erfüllte Libido.
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