Sexualität kennt kein Alter
Ab einem gewissen Alter ist Sex ohnehin nicht mehr relevant – oder? Im Gegenteil!
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Warum ist Sex auch im Alter wichtig?
Astrid: Menschen sind sexuelle Wesen, von der Geburt bis zum Tod. Ein 40-Jähriger, dem Sex sehr wichtig ist, wird mit 70 nicht viel weniger Interesse daran haben, nur weil er körperlich vielleicht schon ein paar Wehwehchen hat. Sex findet ja ganz viel im Kopf statt, und das sehe ich auch bei älteren Menschen, dass die sexuellen Gedanken noch stark ausgeprägt sind. Oft scheitert es einfach an den Möglichkeiten, z. B. keine Partner*in mehr, nicht mehr mobil, um Leute kennenzulernen, etc. Wenn also jemand den Wunsch äußert, dann sollte man auch die Möglichkeit der Sexualbegleitung in Betracht ziehen. Durch sexuelle Berührungen werden Endorphine ausgeschüttet, man fühlt sich gut. Sexualität leben zu können, steigert das Selbstbewusstsein, das persönliche Wohlbefinden. Alten Menschen wird die Sexualität oft abgesprochen, weil sie zu sehr mit Kinderkriegen assoziiert wird. Leider gehen viele Menschen davon aus, dass Sexualität im Alter einfach „aufhört“, man keine sexuellen Bedürfnisse mehr hat und einfach nicht mehr begehrt werden will. Das stimmt in vielen Fällen einfach nicht.
Vor einem Treffen mit dir als Sexualbegleiterin gibt es ein Erstgespräch. Wie läuft das ab?
Bei älteren Menschen (ich betreue Männer wie Frauen), die in Einrichtungen leben und/oder die sich mit der Technik nicht gut genug auskennen, um ein Videotelefonat zu führen, komme ich persönlich vorbei. Da checken wir die Sympathie ab, ich erkläre, was meine Arbeit beinhalten kann, und erkundige mich nach den Wünschen. Wenn nötig, spreche ich auch mit Pflegepersonal oder Angehörigen, um medizinisch relevante Dinge rauszufinden. Nach dem Erstgespräch gehe ich, und die Kund:innen können dann entscheiden, ob sie mich wiedersehen wollen. Es muss sich niemand sofort und in meiner Anwesenheit entscheiden.
Und das Treffen selbst?
Beim Termin selbst ist es natürlich auch vom Gegenüber abhängig, was wann passiert. Manche wollen sofort, dass ich mich ausziehe, manche wollen ein bisschen umarmen, tanzen oder reden.
Wie gehst du mit körperlichen Einschränkungen deiner Kund:innen um?
Natürlich muss ich mich auf die Möglichkeiten einstellen. Jemand, der im Rollstuhl sitzt, wird im Bett in eine angenehme Position gebracht, manchmal sind die Kunden schon „bettfertig“ und nackt und warten auf mich, manchmal helfe ich beim Entkleiden und Rollstuhl-Bett-Transfer. Bei älteren Menschen gibt es meist einfach weniger Stellungswechsel, alles ist etwas entschleunigt und nicht ganz so wild. Das ist aber gleich wie bei jüngeren Menschen mit körperlichen Einschränkungen, es ist von Mensch zu Mensch verschieden. Ich habe sehr rüstige, körperlich fitte Kund:innen, auch über 90. Und dann 70-Jährige, die sich fast nicht ohne Unterstützung bewegen können, oder 40-Jährige mit Multipler Sklerose, die auch nicht mehr wild Stellungen wechseln können.
Kommen manchmal Hilfsmittel zum Einsatz?
Manche älteren Herrschaften besorgen sich Hilfsmittel, um eine Erektion zu bekommen, wenn es medizinisch in Ordnung ist. Aber auch ohne Erektion ist vieles möglich und oft ist es meinen Kunden auch ein Anliegen, mich zu befriedigen. Neben Händen und Zunge bitten mich auch einige Kunden, Sexspielzeug mitzubringen, das wir dann benutzen. Langer Rede kurzer Sinn: Es passiert, was körperlich möglich ist, in einem Tempo und einer Art, die für das Gegenüber passen.
Gibt es eine Liste von Pflegeeinrichtungen, die Sexualbegleitung vermitteln oder möglich machen? Wie kommt man als älterer Mensch zu einem Kontakt?
Es gibt leider keine Liste, das hängt davon ab, ob es in der Administration einer Einrichtung jemanden gibt, der Sexualbegleitung kennt und diese Möglichkeit auch an die Bewohner*innen weiterkommuniziert bzw. erlaubt. Für Ältere, die keinen Zugang zum Internet haben, ist es sehr schwer. Einige Kunden haben von Bekannten meine Telefonnummer bekommen und dann angerufen.
Wie ist die Gesetzeslage zu Sexualbegleitung in Österreich?
Sexualbegleitung fällt unter Prostitution/Sexarbeit. Man muss sich als Sexarbeiterin registrieren und alle sechs Wochen zu einer Pflichtuntersuchung auf Geschlechtskrankheiten gehen und diese im „Gesundheitsbuch“ eintragen lassen. In Österreich gibt es neun unterschiedliche Landesgesetze zu Prostitution, die z. B. auch regeln, wo ich als Sexualbegleiterin arbeiten darf. In Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten sind etwa keine Haus- und Hotelbesuche, in Niederösterreich und dem Burgenland keine Pflegeheimbesuche erlaubt. In Wien, der Steiermark und Oberösterreich ist alles erlaubt, Sexarbeit fällt unter „Neue Selbständigkeit“.
zur person
Astrid ist Sexualbegleiterin für alle ab 18 – auch für Menschen mit Beeinträchtigungen und Senior:innen.
Sie arbeitet auch in einer Behinderten-WG, ist Vortragende im Lehrgang „Sexualbegleitung“ der Volkshilfe Wien und an anderen Stellen.
www.sexistenziell.at
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