Zynisch, ungeschönt und mit viel Humor

Das Thema ihres neuen Buches: Gleichberechtigung. Mit uns sprach Stand-up-Comedienne Julia Brandner darüber, warum Männer oft fürs Minimum gefeiert werden, was Überanpassung mit uns macht und weshalb sie das Wort „Powerfrau“ beleidigend findet.

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© Barbara Wenz

Ihre Karriere war eher Zufall. Im Februar 2021 postete die gebürtige Steirerin Julia Brandner ihr erstes Reel auf Instagram. Das Video „Wenn man mit Männern wie mit Frauen reden würde“ ging mit mehr als 125.000 Klicks viral. Mittlerweile ist Brandner, 27, erfolgreiche Stand-up-Comedienne und Autorin und nutzt ihre Öffentlichkeit, um sich für mehr Emanzipation einzusetzen. Jetzt hat sie ihr zweites Buch veröffentlicht. In „Das L in Frau steht für lustig“ analysiert sie unsere Gesellschaft, direkt, zynisch, ungeschönt. Aber auch immer mit viel Humor.

Dein Buch trägt den Untertitel „… und andere kluge Lebensweisheiten von Männern, nach denen ich nie gefragt habe“. Welche zum Beispiel?
Julia Brandner: Dass ich’s mit der Comedy besser lassen sollte, weil Frauen das nicht können. Ich muss aber ehrlicherweise sagen, dass viele ungerechtfertigte Aussagen auch von Frauen selbst kommen. Das finde ich zum Teil noch problematischer, weil wir es besser wissen und es auch besser machen sollten.

Woran liegt es, dass es viele dennoch nicht tun?
Am mangelnden Selbstwertgefühl. In Phasen, wo ich mit mir selbst nicht im Reinen war, habe ich mich extrem auf Fehler bei anderen konzentriert. Wenn eine heiße Frau neben mir stand, habe ich Cellulite an ihr gesucht. Habe ich keine gefunden, war ich mir sicher, dass ihre Zähne schief waren oder sie dumm war. War das alles nicht der Fall, war sie bestimmt schlecht im Bett. Ich habe an mir gearbeitet und seitdem hat das ziemlich aufgehört.

Welche Frau bewunderst du?
Tijen Onaran. Sie Unternehmerin, Investorin und polarisiert auf LinkedIn – vor allem bei Männern – einzig aus dem Grund, weil sie nur in weiblich geführte Start-ups investiert. Sie macht ihr Ding und läuft so herum, wie es ihr gefällt. Von ihr kommt auch der Satz in meinem Buch: „Lippenstift lässt das Hirn nicht schrumpfen.“ Sie ist eine Frau, die inspiriert.

Du schreibst: „Junge Frauen stehen heute noch immer unter besonderer Beobachtung.“ Warum sind wir da noch nicht weiter?
Das würde ich gerne beantworten können. Wir sehen an Ländern wie Spanien, dass die Welt nicht untergeht, wenn man eine Ministerin ins Amt holt, die im siebten Monat schwanger ist. Island zeigt uns, dass Väter in Karenz gehen können und nichts passiert. Es gibt aber noch so viele Bereiche, bei denen Frauen nicht mitgedacht werden, weil die Entscheidungsträger großteils männlich sind. Oft wissen Frauen selbst nicht mal, was problematisch ist. Ich musste Mitte 20 werden, um herauszufinden, dass mein erster Freund mich einfach nicht okay behandelt hat. Er war egoistisch und hat abgesteckte Grenzen nicht eingehalten. Aber wir Frauen werden zu sozialer Anpassung und zu People-Pleasern erzogen, sodass mir das erst viel später bewusst geworden ist.

Julia Brandner wurde am 26. Juni 1995 in Bruck an der Mur geboren. Aufgewachsen ist sie in Graz, Kitzbühel und Innsbruck. Aktuell lebt sie in Wien. Seit 2009 macht Brandner Stand-up-Comedy. Vor Kurzem hat sie außerdem ihr zweites Buch „Das L in Frau steht für lustig“ herausgebracht. © Barbara Wenz

Als öffentliche Person stehst du sehr im Fokus anderer. Gerade auf Instagram wirst du ständig bewertet. Was macht das mit dir?
Mittlerweile gar nichts mehr. Ich habe gelernt, dass ich’s nicht allen recht machen kann. Diese Einstellung bringt sehr viel Gelassenheit mit sich.

Du wurdest als Teenager stark gebody­shamed. Wie sehr hat dich das beeinflusst?
Unsere Hauswirtschaftslehrerin ließ uns damals unseren BMI ausrechnen und vor der Klasse vorlesen. Bei mir meinte sie, ich hätte gelogen und sicher drei Punkte mehr. Ich habe mich am Klo eingesperrt und geweint. Durch diesen Vorfall dachte ich lange, ich muss in Beziehungen nehmen, was ich kriegen kann, darf keine eigenen Bedürfnisse haben, um geliebt zu werden. Heute weiß ich, dass das Blödsinn ist. Es gibt nach wie vor Tage, an denen ich nicht mit mir klarkomme. Generell aber merke ich: Je öfter du für dich selbst einstehst, umso mehr Respekt und Wertschätzung hast du dir selbst gegenüber.

Du hast dich einem großen Thema verschrieben: Gleichberechtigung. Warum ist die für alle wichtig?
Ich habe mehr verdient als mein letzter Partner. Er hat sich unzulänglich gefühlt. Er hätte sich aber einfach freuen und sehen können, dass auch er davon profitiert. Wenn wir Gleichberechtigung leben, bekommen Männer etwa die Chance, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Eine Freundin hat mal gesagt, Männer sollen sich über Gleichberechtigung freuen, weil dann wollen wir keine Rache. Find ich lustig und ist auch ein bisschen wahr.

Du selbst willst keine Kinder, hast öffentlich darüber gesprochen, dass du dich sterilisieren lassen möchtest. Wann war für dich die Entscheidung klar?
Relativ früh. Ich habe neben der Schule in einem Kindergarten gearbeitet. Das war eine Katastrophe für mich. Allein der Gedanke, ein Kind zu haben, schränkt mich im Kopf sehr ein. Ich fürchte, mir könnte „Regretting Motherhood“ passieren. Lieber bereue ich es später mal, keines bekommen zu haben, als mein Kind leidet darunter.

Du magst das Wort „Powerfrau“ nicht. Warum nicht?
Es gibt ja auch keinen Powermann. Warum wird davon ausgegangen, dass eine Frau keine Power hat, und man muss es extra betonen?

Wenn du an deine Karriere denkst – wer hat dich besonders gefördert?
Meine Agentin und meine Verlegerin glauben beide sehr an mich. Trotzdem erlebe ich in meinem Umfeld immer wieder Gegenwind. Da hilft es, bei sich zu bleiben, sich aufs Positive zu konzentrieren und weiterzumachen. Hinter dem Kleinhalten und Runtermachen steckt nur Neid.

An welche Maxime hältst du dich in deinem Leben?
Ich denke dabei an meine Psychiaterin. Die sagt, einen gesunden Narzissmus braucht der Mensch. Man muss auf sich selbst schauen, alles andere bringt niemandem was. Man darf und muss gut zu sich selbst sein.

© Barbara Wenz

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