Strong Women together

Die Künstlerinnen Virginia Ernst und Katharina Schicho im STEIRERIN-­Interview über die Ungleich­behandlung von Frauen und ihre Konzertreihe rund um den Weltfrauentag.

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© Elisabeth Lechner

Seit 2018 veranstaltet die Wiener Sängerin und Aktivistin Virginia Ernst unter dem Motto „#weare – Starke Stimmen. Starke Frauen“ zum Weltfrauentag ein Konzert in Wien, um auf die noch immer präsente Ungleichbehandlung von Frauen in Beruf, Sport und Kunst aufmerksam zu machen. Dieses Jahr gab es erstmals Partnerkonzerte in Linz und Graz mit dem Titel „We are better together“. In Linz waren die Pox­rucker Sisters als Hosts im Einsatz. Im Orpheum Graz hatten sich dafür die Schick Sisters angeboten, das steirische Trio bestehend aus Katharina Schicho und ihren Schwestern Christine und Veronika, das für seinen harmonischen Dreigesang bekannt ist. Mit den Poxrucker Sisters, den Kernölamazonen, Corry Gass und Vesna Petkovic standen am 9. März lauter starke Frauen auf der Bühne in Graz. Unterstützt wurden sie dabei von „Frau in der Wirtschaft Steiermark“, Landesvorsitzende Gabi Lechner war als Keynote-Speakerin vertreten.

STEIRERIN: Wie haben Sie die „We are better together“-Konzertreihe empfunden?
Schicho: Ich habe schon 2.500 Konzerte in meinem Leben gespielt, und die drei Tage der Reihe waren drei der schönsten Konzerte überhaupt. Wir waren ausverkauft und es gab eine so aufbauende, verbindende Energie. Man hat gemerkt, das Publikum steht hinter den Frauen auf der Bühne.
Ernst: Es waren sehr erfolgreiche, spektakuläre und anstrengende Tage, denn wir waren ja nicht „nur“ Künstlerinnen, sondern auch Veranstalterinnen. Es war eine erfolgreiche kleine Tour, es gab Standing Ovations, das Publikum hat sich gefreut, dass hauptsächlich Frauen auf der Bühne waren. Und für 2024 sind wir schon am Planen, wir möchten die Reihe auf weitere Bundesländer ausweiten.

Haben Sie persönliche Erfahrungen, wenn es um die Ungleich­behandlung von Frauen geht?
Schicho: Leider ja. Schon vor 20 Jahren hieß es immer wieder: „Super, dass es euch gibt, damit ich die Frauenquote erfüllen kann.“ Oder: „Ihr seid der Aufputz des Abends.“ Heute gibt es schon mehr Frauen in der Musikbranche, aber immer noch zu wenige. In den Programmen, in den Charts, bei den Amadeus-Awards sieht man fast nur Männer. Und mit über 40 wird man als Frau auch noch altersdiskriminiert.
Ernst: Ich kann mich da nur anschließen, das ist in jedem musikalischen Genre dasselbe. Ich hatte 2014 einen Glückstreffer, dass ich überhaupt gespielt wurde. Aber in den Top 10 der Charts gab es außer mir nur Männer. Es heißt dann: „Es gibt nicht so viele Künstlerinnen.“ Mit unserem Konzert zeigen wir: Es gibt viele tolle Künstlerinnen. Beim Amadeus-Award geht es immer darum, dass eine Frau nicht so viel verkauft: Wenn man nur Werbung für männliche Kollegen macht, ist es ja kein Wunder. Man dreht sich da im Kreis.

© Elisabeth Lechner

Welche Vorteile haben Männer?
Schicho: Musiker werden von Haus aus mehr wahrgenommen und ernster genommen. Wenn du Songwriterin bist, musst du dich qualitativ extrem hervortun, sonst nimmt dich keiner ernst. Vielleicht liegt es daran, dass Frauen noch nicht so lange aus der Rolle des „schwachen Geschlechts“ ausbrechen. Dass wir genauso Talente haben, muss erst in das Unterbewusstsein unserer Gesellschaft dringen. Und die Freunderl­wirtschaft unter Männern ist sehr stark, auch in der Medienlandschaft. Als Frau bekommt man im Radio nicht dieselbe Aufmerksamkeit. Und ich werde jedes Mal gefragt, wer auf die Kinder aufpasst, während ich spiele. Na wer wohl, der Papa des Kindes! Diese Wahrnehmung, dass Frauen nicht so viel können, weil sie zu viel anderes im Kopf haben, muss sich ändern.
Ernst: Vielleicht sind wir nicht nur gleich gut, sondern sogar besser. Wir sind zwar körperlich etwas schwächer, aber wir müssen viel härter arbeiten, um zum gleichen Ziel zu kommen, weil viele Männer nicht dieselben Belastungen haben wie wir, und schaffen es trotzdem.

Was kann man gegen die Benachteiligung von Frauen tun?
Schicho: In Bezug auf die Musikbranche wäre es ganz wichtig, dass eine verpflichtende Radioquote für österreichische Musik und eine Frauenquote eingeführt werden. Politikerinnen kämpfen teilweise schon dafür. Die Sichtbarkeit von qualitativ hochwertigen Musikerinnen – und das möchte ich betonen, weil gut muss es schon sein – muss erhöht werden. Der Platz gehört geschaffen, und ohne Gesetz bekommen wir ihn nicht.
Ernst: Eh traurig, aber wahrscheinlich wird das der Weg sein. Eigentlich ist es ja pervers, dass wir über 15 Prozent Anteil österreichischer Musik im Radio­programm sprechen – es sollten 50 Prozent sein, damit die regionale Kultur gefördert wird. Bei so geringen Anteilen kommen heimische Künstlerinnen einfach zu kurz. Wir liefern hochwertige Songs, aber sie werden so wenig gespielt, dass die Produktion fast nicht rentabel ist. Da kann der Weltfrauentag schon helfen, damit eine Veränderung passiert. Vielleicht nicht mehr für uns, aber für die Frauengeneration nach uns.

Welche Veränderungen würden Sie sich für Frauen wünschen?
Schicho: Sichtbarkeit. Ob das jetzt Künstlerinnen, Sportlerinnen oder Journalistinnen sind, es muss einfach gesehen werden, dass wir alles ganz genauso gut können wie Männer. Heute muss man einen Aufschrei machen, damit ein kleiner Schritt weitergeht. Schön wäre, wenn wir die Aufschreie irgendwann nicht mehr bräuchten und Gleichberechtigung gelebt wird. Denn wir haben genug andere Probleme auf dem Planeten.
Ernst: Ich hoffe auch, dass sich das in naher Zukunft ändert, damit wir mit 90 Jahren nicht mehr am Weltfrauentag auf der Bühne stehen und aufschreien müssen (lacht). Und dass Männer und generell Menschen in Machtpositionen sich mehr dafür engagieren. In manchen großen Unternehmen bekommen Frauen bereits die gleichen Gehälter und sind genauso oft in Führungspositionen, das gehört ausgeweitet.
Schicho: Was uns während der Konzertreihe besonders wichtig war, war das Miteinander: Frauen und Männer, Mensch mit Mensch, dass man nicht neidisch ist. Die Szene ist so groß, es ist Platz für jeden und jede, das hat mich so berührt.
Ernst: Genau, das versuchen wir wirklich, und das zeugt auch von großer Stärke. Ich komme ja aus dem Mannschaftssport (Eishockey, Anm. der Redaktion), ich kenne das gar nicht anders. Nur zusammen kann man eine große Veränderung schaffen.

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