
© Hanna Fasching
Steffi Stanković ist mehr als ein Model und gefeierte Transaktivistin – sie ist ein Symbol
für Selbstermächtigung. Mit uns sprach sie über ihre Kindheit, den Weg zu Selbstakzeptanz und ihre Vision von einer gerechteren Gesellschaft.
Steffi ist laut, wenn es um Rechte geht. Und sie ist leise da, wo andere Menschen Halt brauchen. Eine trans frau, die sich nicht anpasst, sondern aufrütteln will. Die nicht fragt, ob sie Platz haben darf – sondern den Raum erweitert. Ihre Botschaft: Gerechtigkeit beginnt dort, wo Vielfalt nicht mehr erklärt werden muss. Als trans frau weiß Steffi Stanković, welche gesellschaftlichen Hürden Transgender-Personen nach wie vor nehmen müssen; deshalb setzt sie sich mit ihrer Arbeit für Sichtbarkeit, Aufklärung junger Menschen und den Diskurs über Gleichberechtigung ein. Die gebürtige Serbin Steffi Stanković, die heute in Wien lebt, erhielt 2024 für ihren Einsatz den „Courage Award“ am Grazer Tuntenball. Und ihre Geschichte inspiriert und macht anderen Mut:
Steffi, wann hast du gespürt, dass dein Körper nicht zu dem Menschen passt, der du innerlich warst?
Steffi Stanković: Ich finde, der Begriff „der Körper“ ist in diesem Zusammenhang problematisch, denn ich sehe mich nicht als Projektion meines Körpers. Der Körper ist nur ein Teil dessen, wer ich bin. Es geht vielmehr um die Wahrnehmung, die andere von mir haben, und die gesellschaftlichen Erwartungen, die damit verbunden sind. Ich fühle mich immer schon als Frau, doch um von der Gesellschaft als solche akzeptiert zu werden, muss man leider in bestimmte ästhetische Muster.
Wie hast du das als Kind einordnen können?
In meiner Kindheit war vieles natürlich für mich. Ich hatte das Glück, in einer Familie aufzuwacsen, die mich in allem unterstützte und meine Interessen vollkommen akzeptierte. Die Gesellschaft oder meine Mitschüler:innen hingegen ließen mich spüren, dass etwas nicht „richtig“ war. Meine Mama erzählte mir, dass sie schon früh durch den Austausch mit anderen Familien bemerkte, dass ich mich von anderen Kindern unterschied. Sie sah darin etwas Besonderes. Dieses Bewusstsein, anders zu sein, hat mir damals viel Mut gegeben. Ich bin überzeugt, dass Kinder, die in einer Familie aufwachsen, die ihre Authentizität unterstützt, ein enormes Selbstbewusstsein entwickeln können.
Du sagst, die Schulzeit war für dich geprägt von Diskriminierung, Mobbing und sogar Gewaltdrohungen – was hat dir Halt gegeben?
Oft frage ich mich selbst, wie ich all das überstehen konnte. Doch eines wusste ich immer: Ich hatte Vertrauen in meine Zukunft. Es ist erstaunlich, wie brutal Kinder sein können. Heute erlebe ich immer noch Transfeindlichkeit, vor allem von Jugendlichen und jungen Menschen. Was mir Halt gegeben hat? Das Wissen, dass es eines Tages besser wird – auch wenn es sich in den dunklen Momenten unmöglich anfühlte.

Du hast in Studienzeiten ein Doppelleben geführt – in der Uni sichtbar als Steffi, zu Hause aber noch Stefan. Wie hast du diese Zerreißprobe erlebt?
Damals lebte ich in Wien, während meine Familie in Serbien war, also war der Kontakt hauptsächlich über Skype. Anfangs ließ sich das Ganze gut managen. Doch irgendwann wuchs meine heutige Version von mir selbst so stark, dass das alte Leben keinen Platz mehr hatte. Ich habe mich bei meiner Familie geoutet. Als ich mich outete, war es eine Zeit, in der Transidentität noch kaum öffentlich besprochen wurde. Ich musste meinen Eltern genau erklären, was dieser Begriff bedeutete, was meine genaue Situation war und wie wir alle damit umgehen mussten. Meine Schwester sagte mir später, dass sie kaum einen Unterschied in meiner Persönlichkeit bemerkte und dass ich schon immer ihre Schwester war. Sie hat nie eine große Sache daraus gemacht. Ihre Herangehensweise war die gesündeste: Sie behandelte es, als wäre es keine große Sache.
Als Transfrau, Model und Transaktivistin bist du heute sehr sichtbar. Welche Botschaft willst du der Welt und der queeren Community senden?
Ich wollte sichtbar machen, dass Transmenschen real sind – mit echten Leben, echten Träumen, echtem Schmerz und Freude. Wir haben dasselbe Recht auf Frieden, auf Freundschaft, auf Familie und auf einen Platz in dieser Welt – und zwar ohne Scham. Ja, ich bin stolz auf meine Transidentität. Sie hat mir erlaubt, das Leben aus Blickwinkeln zu sehen, die vielen anderen verborgen bleiben.
Transidentitäten sind auch Ziel politischer Debatten und Angriffe – was braucht es, damit Transpersonen mit voller Gleichberechtigung und Würde in unserer Gesellschaft anerkannt werden?
Ja, ich war oft Teil solcher Diskussionen. Und in den meisten Fällen sind es keine Expert:innen, die über die Existenz von Transmenschen urteilen. Nicht jede Meinung verdient eine Bühne – besonders dann nicht, wenn sie eine ohnehin schon marginalisierte und gewaltbetroffene Gruppe delegitimiert. Was es braucht? Bildung. Zuhören. Empathie. Die Bereitschaft, Stimmen Raum zu geben, die aus gelebter Erfahrung sprechen.


Hass im Netz betrifft dich mit deiner Social-Media-Präsenz bestimmt auch?
Ja, ich bekomme tatsächlich sehr viel Hass im Netz von abwertenden Kommentaren bis hin zu privaten Nachrichten, die oft übergriffig oder bedrohlich sind. Ehrlich gesagt nehme ich sie nicht mehr ernst. Ich bin diese digitalen Anfeindungen mittlerweile gewöhnt. Was ich gelernt habe: Hass spiegelt nur die Unsicherheit oder Angst derer wider, die ihn verbreiten. Es sagt selten etwas über dich aus.
Welche Erfahrungen aus deinem eigenen Transitionsprozess möchtest du heute mit jungen Transpersonen teilen?
Du musst diesen Weg nicht allein gehen. Es ist entscheidend, sich den richtigen Menschen anzuvertrauen, die dich begleiten wollen. In Österreich gibt es wertvolle Anlaufstellen wie etwa Courage, die bundesweit arbeiten und eine Betreuung durch den gesamten Prozess anbieten. Auch der Kontakt zur Community ist Gold wert. Es macht einen großen Unterschied, Menschen um sich zu haben, die dich wirklich verstehen. Die Transition ist kein gerader Weg, sondern ein Prozess mit Höhen und Tiefen und jede:r geht ihn anders. Du darfst dir Zeit nehmen.
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Die Autorin dieses Beitrags:

Yvonne Hölzl, Redakteurin der STEIRERIN, ist verantwortlich für die Rubrik Style und Wohnen. Neben ihrer Kreativität beim Schreiben zeigt sie auch handwerkliches Geschick, wenn sie handgemachte Strickwerke zaubert. In ihrer Freizeit ist die Naturliebhaberin mit ihrem Windhund Toto oft im Wald anzutreffen.
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