Ich bin eine Weltenwandlerin

Minimal wohnen, maximal leben. Van-Life ist die ultimative Befreiung aus dem Hamsterrad. Und die Welt ist dein Zuhause. Sagen nicht wir, sagt die steirische Kabarettistin Sigrid Spörk.

5 Min.

© Linda Koprowski

Die Comedienne, Sängerin und Schauspielerin Sigrid Spörk ist ausgestiegen. Raus aus dieser für sie starren Gesellschaftsform, aus dem Kapitalismus des öffentlichen Künstlerlebens, aus dem klassischen Mama-Bild und ist dafür eingestiegen in einen alten VW-Bus, der sie zur fahrenden Geschichten­erzählerin gemacht hat. Und ja, Sigrid hat viel zu erzählen. Vom Van-Life mit Sohn Theo etwa, von Kakao-Zeremonien, Frauenkreisen, von Abenteuern auf ihren Reisen und von einer neuen Gesellschaftsform, die sie sich wünscht, in der Individualismus aktiv gelebt wird und eine Kreiskultur Menschen wieder in den Dialog bringt. Aber erst mal der Reihe nach.

Ich treffe Sigrid Spörk am Parkplatz des Badesees in Wildon. Es ist einer dieser Morgen, an denen erste warme Sonnenstrahlen einen sonnigen Frühlingstag versprechen. Und doch ist es kalt. Als ich ankomme, thront bereits der weiße VW-Bus ruhig auf seinem Platz und zeichnet ein idyllisches Bild mit vereinzelt schon grünen Sträuchern, die ihn säumen. Die Bus-Schiebetür steht weit offen und davor, unter freiem Himmel, zeigt sich schon von Weitem ein kleines, feines Boho-Ensemble aus Teppich, Sitzkissen, einem Klappstuhl sowie einem kleinen Tisch, das wie ein privater Terrassenplatz anmutet. In der Wiese hat Sigrid liebevoll Räucherstäbchen platziert, deren Duft wohltuend in die Nase steigt, und ich komme an. Lustig tanzen große und kleine Traumfänger im Wind und flankieren den Eingang in den holzvertäfelten Wohnbereich des restaurier­ten Busses. Viele bunte Kleinigkeiten, Pölster, Teppiche und Accessoires bilden eine gemütliche Wohnung auf Rädern, die die Steirerin zur Weltenbummlerin macht. Es ist ganz klar ein Daheim, auch wenn nur für ein paar Stunden an einem Ort. Und es ist Sigrids neue Bühne, um Eindrücke von ihrem Nomadenleben zu teilen und ihre Visionen, dass es viele Möglichkeiten gibt, sein Leben zu leben, weiterzugeben.

© Linda Koprowski

„Ein Freigeist war ich schon immer. Eine Weltenwandlerin, ein ungebundener Geist, der das Nomadenleben schon durch meine Touren als Kabarettistin lebte“, erzählt Sigrid, die schon als Kind viel Zeit mit Wildcampen verbrachte. Auch sei sie eine, die das Positive erkenne, Lösungen suche und darauf vertraue, dass sich Dinge fügen. Eine Künstler­seele, wenn man so will. Die Kunst hat sie auf die Bühne gebracht – als erfolgreiche Kabarettistin und als beliebte Schauspielerin. Ganze 20 Jahre lang. Und dann ist etwas passiert. „Die Branche ist stark kapitalistisch und hat viel mit Ego zu tun. Irgendwann hat das eine Sinnfrage bei mir hinterlassen“, erzählt die Steirerin. „Das war dann der Wendepunkt und ich wusste, ich will anders leben, als es die Gesellschaft uns vorgibt.“ Was dann kam, war das Leben am Hof bei Freunden oder in einer Jurte. Vor einem Jahr legte sich Sigrid dann einen VW-Bus zu, baute diesen zusammen mit Freunden um und schuf damit ein autarkes Zuhause für sich und ihren sechsjährigen Sohn Theo, mit dem sie als alleinerziehende Mama eine alternative Wohnmöglichkeit lebt. Da Theo das erste Jahr der Schule besucht, haben sich die beiden für einen fixen Stellplatz in Wildon, wo beide den Komfort im Haus einer Freundin mitgenießen, entschieden. „Das Schulsystem soll erst einmal ein Versuch sein, danach denke ich eventuell an Heimunterricht“, so die Weltenwandlerin.

Den Rest des Jahres ist sie in ganz Österreich unterwegs und folgt einfach ihrem Bauchgefühl. „Ich habe mir ein gutes Netzwerk aus Freunden und Familie geschaffen, um auf Reisen immer gut versorgt zu sein. Wir schlafen und wohnen jedoch immer in unserem Bus – das ist unser Rückzugsort.“ Erste Herausforderungen im Van-Life waren laut Sigrid das Fahren mit einem 6,5 Meter langen Bus, technische Gebrechen oder der Schnee. Mittlerweile sei sie daran gewachsen und sogar schon technisch versiert. Wie das alles mit Kind klappt? Sie ist Vollblut-Mama, eine mit ihren eigenen Werten und Vorstellungen von einem Leben mit Kind. „Warum sollte mein Lottaleben schlecht für meinen Sohn sein? Im Gegenteil, ich bringe ihm bei, dass alles – sofern der Zeitpunkt dafür reif ist – möglich ist und dass jede:r frei nach seinen Vorstellungen glücklich sein kann.“

Sigrid Spörk ist seit 20 Jahren erfolgreiche Comedienne, Sängerin und Schauspielerin. Die Steirerin, die seit einem Jahr mit ihrem sechsjährigen Sohn Theo ein intensives Van-Life lebt, reist durch das ganze Land und lebt meist autark. Sie hat der für sie kapitalistischen Künstlerbranche den Rücken gekehrt und ist heute Mentorin, Künstlerin und Lebefrau. Ihre Reise führte sie zu Psycho­therapeuten, Schamanen und Coaches – und diese Erfahrungen möchte sie kreativ, energetisch und intuitiv anderen weitergeben. © Linda Koprowski

Wer bin ich wirklich?

„Ich kreiere meine Welt stark selbst. Wer sagt, dass Geld nicht von überall herkommen kann?“, so die moderne Nomadin, die ihre künstlerische Kraft beruflich auf neuem Wege weitergeben möchte. „Heute sehe ich mich als fahrende Geschichtenerzählerin; Menschen kommen auf mich zu und ich helfe ihnen bei der Persönlichkeitsentwicklung, ihr Inneres und Äußeres neu wahrzunehmen.“ Das macht sie etwa in Form von Kakao-Zeremonien in einem tollen Setting, bei dem sie ihr Wissen weitergibt, inspirieren oder einfach nur nährenden Moment bieten möchte.

Sie erzählt, denkt laut und erklärt

Philosophiert über den Wert der Kreiskultur, die wir Menschen wiederfinden müssen, um in den permanenten Dialog treten zu können. Das sei eine neue Gesellschaftsform, die einander unterstütze. Sigrid ist spirituell und hat den Wunsch, etwas zu bewegen. Mit einem Wanderzirkus zum Beispiel. „Meine Vision ist eine Karawane von Menschen, die mit einer adaptierten Form des Zirkuszeltes von Ort zu Ort reist und Workshops abhält, Vorstellungen darbietet oder Geschichten erzählt.“ Während sie so laut träumt, steht sie immer wieder mal auf, geht auf und nieder, um den Worten noch mehr Raum zu geben. Und als ich zu ihr gegen das Sonnenlicht aufblicke, strahlt sie mit ihren blonden Locken wie die Goldmarie der Persönlichkeitsentwicklung. Das ist ihr Herzensthema. Davon erzählt sie von Ort zu Ort. Denn: „Nur wenn sich der Einzelne entwickelt, kann das das ganze Kollektiv tun.“ Dann sei es der Gesellschaft irgendwann egal, ob jemand in einem Bus wohne oder eine andere alternative Wohn-, Familien- oder Berufsform lebe.

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