Gespräch mit der „Hofheldin“ – Wein auf Umwegen
Die "Hofheldin" vom Weingut Dietl
© AMA Genussregion/Harald Eisenberger
Die „Hofheldin“ ist eine Auszeichnung, die Frauen in der Landwirtschaft in den Mittelpunkt rückt. In der Kategorie „Diversifizierung/Innovation“ gewann die Quereinsteigerin Andrea Kessler-Dietl vom Weingut Dietl.
Sie strahlen weit über ihre Höfe hinaus, und das gehört auch wertgeschätzt: die steirischen Bäuerinnen. Rund ein Drittel der Höfe, also etwa 30.000 an der Zahl, wird mittlerweile von Frauen geführt. Darum kürte die Landwirtschaftskammer wieder die „Hofheldinnen“ in zwei Kategorien. Den ersten Platz in der Kategorie Urproduktion belegte Jenifer Pöschl, den in der Kategorie Diversifizierung/Innovation Andrea Kessler-Dietl aus Riegersburg. Letztere führt gemeinsam mit ihrem Mann Andreas das Weingut Dietl.
Hofheldin unter Männern behauptet
Der Lebenslauf der Hofheldin war jedoch nicht ganz geradlinig: „Ich bin zwar auf dem elterlichen Betrieb aufgewachsen, aber mich hat die Landwirtschaft früher nicht wirklich interessiert. Meine Eltern hatten alles Mögliche: Hühner, Äpfel, Holunder, etwas Wein, Feriengäste – ich habe da immer nur die Schattenseiten gesehen“, so die Steirerin. Nach der Handelsschule ging sie daher als Sekretärin in einen Industriebetrieb. Dort wurde sie intern als Lüftungstechnikerin umgeschult. „Das war total cool, weil es mal etwas ganz anderes war“ – auch wenn in dieser von Männern dominierten Branche zuerst stark an Andrea gezweifelt wurde. Sprüche wie „Ja, kann die das?“ oder „Was, das Dirndl will übernehmen?“ waren für Andrea stets ein zusätzlicher Antrieb: „Wenn ich was machen wollte, hab ich Gas gegeben und bewiesen, dass ich das kann.“
Auf Umwegen zum Wein
Aus Interesse wandte sie sich dem Wein zu und belegte einige Basisseminare. Bei einer Junkerpräsentation lernte sie schließlich ihren Mann Andreas kennen, der sie von Anfang an unterstützt hat. Daraufhin absolvierte Andrea ein Weinbau-Kolleg, machte die Sommelière-Ausbildung und den Meister in Weinbau und Kellerwirtschaft, den sie mit „Österreichs Meisterin des Jahres“ abschloss. Gemeinsam mit Andreas übernahm sie schließlich den Betrieb ihrer Eltern und wandelte ihn in ein Weingut um. „Ich wusste, dass es schwer sein wird am Anfang – kein Mensch hat auf uns gewartet, die Konkurrenz ist einfach sehr groß.“ Noch dazu, weil auch Versicherungsvertreter Andreas ein Quereinsteiger war. „Es hat uns niemand zugetraut, dass wir es schaffen. Wir konnten beide nicht einmal Traktor fahren.“ Das haben sie mittlerweile gelernt, aber Andrea überlässt es auf den steilen Weinhängen gerne anderen: „Man muss nicht alles können. Gerade Frauen machen sich da oft einen sehr großen Druck. Was ich gut kann, mach ich, der Rest wird outgesourct.“
Frischer Wind bei der Hofheldin
Die Kessler-Dietls haben den Betrieb komplett umgekrempelt. „Andreas und ich wollen mit unseren Produkten zeigen, wer wir sind, was unsere Geschichte ist. Man muss auffallen, deswegen sind unsere Etiketten auch Türkis. Der Daumenabdruck meines Vaters, der den Betrieb ursprünglich gegründet hat, ist auch drauf. Und topografische Höhenlinien, die unsere Herkunft widerspiegeln.“ Das Marketing-Konzept der Kessler-Dietls ist sehr umfangreich: Jeder Wein hat eine eigene Geschichte und ein eigenes Werbevideo, es gibt auch eine Spotify-Playlist. Die Weine haben klingende Namen wie Sonnenduft oder Freudentanz. „Wir wollen weg davon, dass nur Sorte und Jahrgänge wichtig sind, sondern der unverwechselbare Geschmack und die Liebe, die in jeder Flasche steckt.“ Auch als Location hat sich das Weingut mittlerweile einen Namen gemacht: Seit Kurzem gibt es die „Scheibelberg-Lounge“ in Kombination mit einem Weingarten-Pavillon. Beliebte Anlässe sind Hochzeiten, Geburtstage, Firmenfeiern und eigene Events: 2023 war etwa Gernot Kulis vor Ort, auch Yoga am Weingarten wird angeboten. Besonders gerne veranstaltet das Ehepaar Verkostungen: „Wir lieben, lieben, lieben die Weinverkostungen. Das ist immer eine unterhaltsame und lustige Zeit mit ganz viel Genuss bei uns.“ Ansonsten macht der Winzerin die Kellerarbeit am meisten Spaß. Für die Zukunft wünscht sie sich ein gesundes Wachsen und Zukunftssicherheit, „aber im Rahmen. Es ist nicht das Ziel, immer größer und größer zu werden. Geld ist nicht alles, da habe ich lieber mehr Zeit für meine Kinder.“
Nominiert und den Titel als „Hofheldin“ gewonnen
Vor ihrem Sieg als Hofheldin war Andrea bereits zwei Mal gefragt worden, ob sie nicht teilnehmen möchte. „Ich habe früher allerdings immer gesagt, dass das nichts für mich ist, weil ich nichts Besonderes leiste. Es hat mich gewundert, dass ich gewonnen habe, denn es waren viele tolle Frauen nominiert.“ Anderen Landwirtinnen und Frauen, die es werden wollen, rät Andrea, es einfach zu versuchen. „Man darf sich nicht einreden lassen, dass man etwas nicht kann. Wenn man eine Vision und eine Leidenschaft für etwas hat, wird man belohnt werden.“ Eine klare Lieblingsrebsorte hat die Steirerin übrigens auch: „Wenn ich könnte, würde ich ein Bad nehmen in Sauvignon Blanc“, erklärt sie lachend.
Weingut Dietl
Dörfl 13, 8333 Riegersburg
www.dietl-wein.at
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