
„Fomo Sapiens“: Valerie Huber im Interview über ihr neues Buch
Neben ihrer Schauspielkarriere engagiert sich Valerie Huber als Aktivistin für soziale Ungleichheit und Klimaschutz.
© Philine Hofmann
Sie ist Schauspielerin, Sängerin, Model, Aktivistin und jetzt hat sie ihr erstes Buch veröffentlicht: Valerie Huber will mit „Fomo Sapiens“ wachrütteln und der jungen Generation Hoffnung geben. Wir haben die 29-Jährige zum Interview getroffen.
Schauspielerin Valerie Huber im Interview
Bereits als kleines Kind hat Valerie sieben Jahre in Afrika gelebt, sie ist als Teenager teilweise in den USA aufgewachsen und hat ihre österreichischen Wurzeln dennoch nie verloren. Heute lebt die 29-Jährige in Wien und ist als Schauspielerin unter anderem aus der Netflix-Serie „Kitz“ bekannt, sowie für ihre Musik oder ihre Arbeit mit UNICEF und ihr Engagement für Umwelt und Klima. In ihrem neuen Buch „Fomo Sapiens“ verarbeitet Valerie aktuelle Themen, die sie und die junge Generation nachts wachhalten, wie etwa die Angst, etwas zu verpassen, den gesellschaftlichen Druck vermeintlich perfekt sein zu müssen, oder auch aktuelle Krisen und den Klimawandel. Ein Buch, das wachrüttelt aber auch Optimismus versprühen soll.
Du schauspielerst, modelst, singst, bist Aktivistin und jetzt hast du auch ein Buch herausgebracht. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe immer schon super gerne geschrieben, Deutsch war mein Lieblingsfach in der Schule, und dann kam der Goldegg-Verlag in Wien auf mich zu und hat gefragt: „Möchtest du nicht ein Buch schreiben?“ Ich hatte schon davor angefangen, immer wieder Gedanken zu aktuellen politischen Situationen niederzuschreiben, zum Beispiel Dinge, die mich bewegen, und hatte also schon ein bisschen Stoff gesammelt. Der Verlag hat mir echt tolle Guidance gegeben und so kam es dann ziemlich schnell zu diesem Buch – das war ein ganz toller Prozess!
Im Titel heißt es „34 Fragen, die mich nachts wachhalten“ – was hält dich nachts wach?
Das ist aktuell sehr viel. Also ich bin nicht wirklich wach in der Nacht, ich kann Gott sei Dank sehr gut schlafen! (lacht) Aber es sind sehr viele Dinge, die mich gerade beschäftigen, eigentlich schon die vergangenen Jahre. Das sind Dinge wie der Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, Feminismus, jetzt der Rechtsruck auf der Welt – es sind hauptsächlich auch politische Themen und Entwicklungen, denen es entgegenzuwirken gilt.
Was sollen Leserinnen aus deinem Buch mitnehmen?
Das Buch zeigt hauptsächlich auf, was alles schiefläuft. Es beleuchtet viele verschiedene Segmente: Das geht vom Transport, zum Overtourism bis hin zur Lebensmittel- und Kleidungsindustrie. Es werden viele Aspekte beleuchtet, die eigentlich ganz klar verändert werden müssen. Und dann bietet das Buch aber auch Lösungen und Aussichten, was wir gesellschaftlich und wirtschaftlich, aber auch persönlich verändern müssen. „Degrowth“ ist dabei ein großes Stichwort. Wir müssen uns zurückziehen in die lokale, saisonale Produktion, aber auch persönlich zurückziehen von diesem „höher, weiter, schneller“, der Ellenbogengesellschaft und dem Ich-bezogenen Ego-Trip, der uns gerade so vorgelebt wird, und stattdessen mehr Miteinander, mehr Solidarität und Empathie in der Gesellschaft wiederfinden. Ohne dem schaffen wir es nicht, diese System-Veränderung zu erzielen, die notwendig ist, um eine gute, gesunde, nachhaltige Zukunft vor uns zu haben.
FOMO – Die Angst, etwas zu verpassen
Du sprichst auch das Thema FOMO (Fear Of Missing Out) an, also die Angst davor, etwas zu verpassen. Was glauben wir denn eigentlich zu verpassen?
Das hat viel mit Social Media zu tun. Durch dieses digitale Leben haben wir ständig das Gefühl, dass jeder andere ein besseres Leben hat, die perfekten Dinge erlebt und wir selbst zu kurz kommen. FOMO ist ja ein Begriff aus dem Marketing. Diese Lücke wird bewusst kreiert, um uns im Endeffekt Dinge zu verkaufen. Aber auch durch die sogenannte FOBO (Fear Of a Better Option) werden wir als Gesellschaft zu einer Wegwerfgesellschaft und Dinge und Personen werden austauschbar.
Es könnte jede Sekunde der bessere Job oder der bessere Partner um die Ecke biegen. Das ist eine schwierige Situation für junge Leute heutzutage. Wir – auch ich – sind alle so tief drinnen in dem Konsumzwang, der speziell auch durch Social Media kreiert wird. Es ist schwierig, sich davon zu lösen, weil wir alle Teil des Systems sind. Besonders junge Frauen werden da sehr instrumentalisiert, um Profit zu erzielen. Es legen sich immer mehr Leute mit 16, 17 Jahren unters Messer, weil sie sich nicht schön oder gut genug fühlen. Das ist gewollt und überaus gefährlich!
Inwiefern spielt denn auch das Thema Feminismus eine Rolle in deinem Buch?
Ein sehr großer Part im Buch dreht sich um Feminismus. Es tun sich Fragen auf wie „Wären Frauen die besseren Politikerinnen?“ oder „Finden Frauen und Männer heutzutage überhaupt noch zusammen?“. Es findet hier eine merkwürdige Entwicklung statt: Männer werden laut aktuellen Studien immer rechter und Frauen immer linker. Ich spreche z.B. auch über den Bechtel-Test in Filmen, the Male-Gaze, eine Frauenquote und ob 50 Prozent jetzt überhaupt genug wären oder ob uns eigentlich jetzt mehr zustünde.
Wären Frauen in deinen Augen die besseren Politikerinnen und Führungskräfte?
Ja!
Warum?
Ich glaube, wir haben momentan keine guten Beispiele, weil die Frauen, die in der Politik sind, sei es Giorgia Meloni, Marine Le Pen oder Alice Weidel in Deutschland, sehr in die maskuline Energie übergehen, um sich in der männerdominierten Politik beweisen zu können. Ich glaube aber, wenn Frauen in ihrer ursprünglichen Energie bleiben würden, emphatisch und fürsorglich wären, dann wären sie ganz klar die besseren Politikerinnen. Idealistisch gesehen ginge es ihnen/uns viel weniger um Profit und Macht, sondern wirklich um das Wohlergehen aller.
Provokante Fragen
Du behandelst auch das Thema Kinderkriegen und stellst ganz provokant die Frage, ob es in Anbetracht der Klimakrise überhaupt ethisch vertretbar ist, Kinder zu bekommen.
Das ist wirklich eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt und über die ich sehr viel grüble. Wenn man den WissenschaftlerInnen zuhört, dann ist es nicht mehr vertretbar, Kinder zu bekommen. Da könnte es wirklich schon 2050 ungemütlich werden mit sozialen Spannungen und Ressourcenknappheit und Klimakatastrophen. Und wenn ich schon so viel Angst vor der Zukunft habe, wie wird es dann meinen Kindern gehen? Eigentlich möchte man das niemandem antun. Auf der anderen Seite ist natürlich die größte Liebe und das größte Gefühl, das man empfinden kann, die Mutter-Kind-Liebe. Und die Frage, ob man das missen möchte, ist schwierig. Aber ich denke, ich komme jetzt in ein Alter, indem ich das vermutlich schon erleben möchte, weil es eines der schönsten Dinge ist. Aber man muss sich im Klaren darüber sein, dass das Kind vielleicht keine besonders schöne Zukunft haben wird.
Wie gehst du selbst mit Zukunftsängsten um? Welche Coping Mechanismen hast du für dich gefunden?
Es ist wichtig, dass man nicht in den Flight- oder Freeze-Modus kommt, sondern in den Fight-Modus. Diese Ohnmacht und Machtlosigkeit lähmen total. Wir würden so gerne aktiver werden, aber es geht nicht, weil wir das Gefühl haben, diese alten weißen Männer entscheiden über unsere Köpfe hinweg und gestalten die Zukunft, die sie nicht mal mehr erleben werden, in einer völlig falschen Art und Weise. Und deshalb müssen wir aktiv werden, wir müssen auf die Straße gehen, demonstrieren und mit Leuten reden, in den Diskurs kommen, uns engagieren, so gut es geht und mit den Möglichkeiten, die wir haben.
Auf der anderen Seite müssen wir uns aber auch um uns selber kümmern. Das heißt, in den Rückzug gehen, nicht immer Medien konsumieren. Denn das macht auf Dauer echt deprimiert heutzutage. Mir persönlich helfen Meditation, Sport oder die Natur extrem. Ich bin unheimlich viel und gerne draußen, das brauche ich als Ausgleich. In meinem Buch beschreibe ich einige Methoden aus Japan, wie zum Beispiel Ikigai, das sind so kleine Lebensweisheiten, die einem helfen sollen, sein persönliches kleines Glück zu finden.
Valerie Huber über Optimismus
Es geht in dem Buch aber auch um Optimismus, den du mitgeben willst. Was Optimismus für dich?
Hoffnungsvoll zu bleiben! Und, dass man trotz dieser Schreckensmeldungen jeden Tag aufsteht und sich bewusst dazu entscheidet, positiv zu sein. Weil das ist, glaube ich, eine Entscheidung. Wir haben heutzutage so viele Chancen und Möglichkeiten und Privilegien. Klar, man kann es jetzt nicht einem depressiven Menschen sagen, sei positiv. Aber jeder Mensch, der gesund ist, kann sich bewusst dazu entscheiden und zum Beispiel anderen gegenüber freundlich sein, andere auf der Straße anlächeln und vielleicht jemanden den Tag versüßen. Genau das wäre wichtig, um wieder zu mehr Solidarität in der Gesellschaft zu kommen.
Warum ist es dir so wichtig, dich politisch und aktivistisch zu engagieren und dich vor allem auch fürs Klima einzusetzen?
Ich kann nicht anders. Vor allem wegen meiner Zeit in Afrika und auch wegen der vielen Gespräche mit meinem Papa. Er ist Entwicklungsökonom und hat sein ganzes Leben lang dafür gearbeitet, dass es Menschen in Afrika besser geht. Es wurde mir also irgendwie auch eingepflanzt, dass es mir nicht egal ist, wie es anderen geht. Heute sterben schon Menschen an den Folgen des Klimawandels.
Wir im Westen haben unseren Luxus auf dem Rücken von anderen Leuten aufgebaut: Wir beuten den Planeten und andere Menschen aus und pumpen CO2 in die Luft, als gäbe es kein Morgen, um diesen Standard zu bewahren. Wir sind daran schuld, dass Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren, fliehen müssen oder sogar sterben. Das muss man ganz klar so ansprechen und sagen. Es ist mir einfach ein Anliegen, meine kleine Plattform, die ich durchs Schauspiel habe, auch dafür zu nutzen, mich für die scheinbar richtigen Dinge einzusetzen und jeden, den ich kann, wachzurütteln.
Valerie Huber engagiert sich als Aktivistin
Als Kind hast du sieben Jahre in Afrika gelebt – Inwiefern hat dich diese Zeit geprägt?
Afrika hat mich sicherlich in jeder Hinsicht geprägt. Einerseits habe ich diese soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit sehr früh kennengelernt, eben auch durch die Arbeit meines Papas. Ich habe aber auch eine sehr große Menschlichkeit kennengelernt. Natürlich ist es eine Sicht aus Kinderaugen, aber Menschen zu erleben, die so wenig haben und trotzdem so eine große Lebensfreude versprühen, gibt mir bis heute so viel. Es hat mir gezeigt, wie privilegiert ich und wir hier in Europa sind. Ich habe so ein tolles Leben und trotzdem geht es mir manchmal nicht gut und eigentlich sollte es mir viel öfter gut gehen – uns allen, weil wir in Österreich so viel haben und so viel dürfen!
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Mehr InformationenDu bist auch für die UNICEF aktiv – was bedeutet diese Arbeit für dich?
Eben genau in Bezug auf meine Kindheit ist es so eine erfüllende Sache für mich, dass ich mich jetzt in Zukunft mit UNICEF in diesem Bereich einsetzen kann. Da schließt sich für mich irgendwie der Kreis, dass ich durchs Schauspielen wieder zu UNICEF und wieder nach Afrika komme. Mit UNICEF Österreich in Malawi gewesen zu sein, war so besonders für mich – zu sehen, dass das Geld, das gespendet wird, ankommt und dass dort junge Mädchen und Burschen eine Schulbildung bekommen und damit echte Chancen fürs Leben. Das ist für mich einfach sehr erfüllend.
Worauf dürfen wir uns in Zukunft freuen – kommt noch ein Buch?
Ob ein neues Buch kommt, weiß ich noch nicht. Ich glaube nicht, dass es mein letztes Buch sein wird, weil es mir eben so viel Spaß gemacht hat. Ich arbeite gerade an meiner EP, die spätestens im Frühsommer rauskommen soll. Und schauspielmäßig kommt auch demnächst eine spanische Serie raus, die ich letztes Jahr gedreht habe. Auf Spanisch, in Spanien. Das wird auch lustig und war eine ganz tolle Erfahrung!

FOMO Sapiens
Goldegg Verlag, € 21
© Goldegg Verlag
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