Braucht es ein Umdenken?
Die Arbeitswelt ist im Umbruch, der Arbeitskräftemangel dabei das bestimmende Thema. Was es gerade im Gesundheits- und Elementarpädagogikbereich brauchen würde, haben wir Barbara Riener, VP-Sprecherin für Pflege, Sozialhilfe und Kinder- und Jugendhilfe, gefragt.
Barbara Riener, Klubobfrau des Landtagsklubs der Steirischen Volkspartei, im Gespräch mit STEIRERIN-CR Lissi Stoimaier. © Thomas Luef
Die Räder greifen ineinander. Arbeitsbedingungen, Arbeitskräfte, Vereinbarkeit mit Familie … stockt eines dieser Räder, kommt das ganze Werk ins Stocken. Genauso ist es mit dem Arbeitsmarkt, wo aktuell die Räder zwar noch nicht stocken, aber auch nicht ganz so rund laufen. Viel diskutiert werden vor allem die Bereiche Gesundheit und Elementarpädagogik. Bereiche, für die Barbara Riener, Klubobfrau des Landtagsklubs der Steirischen Volkspartei und Sprecherin für Pflege, Sozialhilfe und Kinder- und Jugendhilfe, tagtäglich im Einsatz ist. Prämien, 4-Tage-Woche und Ausbildungswege sind dabei die Schlagworte der Stunde. Wo dabei angesetzt werden muss und wo es noch mehr Öl zum Schmieren braucht, erklärt Barbara Riener im Gespräch.
Die 4-Tage-Woche – ein heiß diskutiertes Thema, dessen Einführung vielfach gewünscht wird. Wie sehen Sie das?
Barbara Riener: Im Generellen kann ich den Wunsch danach verstehen. Man muss aber auch ganz klar sagen, dass es Bereiche und Branchen gibt, in denen eine 4-Tage-Woche nur schwer machbar ist. In der Produktion und im Dienstleistungsbereich ist es leichter umsetzbar. Da müssen sich aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten – und das sind wir schließlich alle – bewusst sein, dass es dadurch zu Einschnitten kommen wird.
Und in welchen Bereichen wird eine Umsetzung schwierig?
Überall dort, wo es um die Betreuung von Menschen geht, wird es schwierig. Das geht vom Pflegebereich bis zur Kinderbetreuung. Da gibt es kein Homeoffice, da kann ich die Arbeit nicht an vier Tagen erledigen und danach ist drei Tage Ruhe. Wir bauen also hier zusätzlich eine Ungleichheit in der Arbeitswelt auf. Es braucht einen Schulterschluss in unserer Gesellschaft, dass man dort, wo Menschen betreut werden, nicht durch diese Diskussion eine Schieflage erzeugt.
Das kürzlich präsentierte Solidaritätsbarometer der Caritas zeigt auf, dass die Ängste in der Bevölkerung aufgrund von Inflation und Teuerung steigen. Wo muss die Politik ansetzen, um hier entgegenzuwirken?
Ängste, die diffus und nicht greifbar sind wie bei der aktuellen Teuerung, die von vielen sogar als noch stärker wahrgenommen wird, als sie in Realität ist, werden schnell übermächtig. Wenn man sie aber kanalisieren kann, bekommt man die Chance, damit umzugehen. Unsere Aufgabe in der Politik ist es daher, noch viel präziser in unseren Aussagen zu werden. Kommunizieren ist wichtig. Und das geht nur, indem man mit den Leuten redet.
Präzise Kommunikation ist wichtig. Und das geht nur, indem man mit den Leuten redet.
Barbara Riener
Ängste betreffen aber nicht nur die Teuerungen. Auch mangelnde Kinderbetreuungsplätze sorgen für Verunsicherungen. Was passiert in diesen Bereichen?
Gerade im Elementarpädagogikbereich passiert sehr vieles, das in die richtige Richtung geht: die Einführung der Sozialstaffel in den Kinderkrippen. Dass die Gruppengröße in den Kindergärten in den kommenden Jahren stufenweise von 25 auf 20 reduziert wird. Und auch die Ausbildungsmöglichkeiten haben mit dem Kolleg für Elementarpädagogik eine tolle Ergänzung erfahren. Trotzdem ist natürlich auch hier der Arbeitskräftemangel nach wie vor Thema.
Um einen Anreiz zu schaffen, wird Leuten, die in den elementarpädagogischen Bereich wechseln oder auf Vollzeit aufstocken, eine Prämie in der Höhe von 15.000 Euro versprochen. Diese Prämie zeigt Wirkung, sorgt aber gleichzeitig für Verunstimmung beim bestehenden Personal, das sich benachteiligt fühlt.
Das verstehe ich einerseits. Man darf aber nicht übersehen, dass es auch für das bestehende Personal von Vorteil ist, wenn man Unterstützung durch zusätzliche Personen bekommt.
Der Arbeitskräftemangel ist auch im Gesundheitsbereich deutlich spürbar. Eltern finden keine Kinderärzte mehr. Auf ärztliche Termine für Untersuchungen und Operationen wartet man teils Monate. Was muss man hier verbessern?
Wir haben zu wenig Kassenärzte, aber viele Wahlärzte, die von der Bevölkerung oft aufgrund ihrer höheren Flexibilität bevorzugt werden. Auch suchen immer mehr Menschen bei kleinen Wehwehchen gleich direkt die Ambulanz auf, anstatt zum Hausarzt zu gehen. Hier muss man gezielt Schritte setzen wie etwa, dass der Bund die Anzahl der Medizinstudenten erhöhen muss, aber mit einer Form der Verpflichtung für den niedergelassenen Bereich oder die allgemeinmedizinische Versorgung. Aber es braucht auch ein Bewusstsein in der Bevölkerung, bei gesundheitlichen Problemen zuerst zum Hausarzt zu gehen. Die Ambulanzen sind wirklich nur für Notfälle da.
Zum Abschluss: Ein Wunsch von Ihnen wäre …
Viele Menschen in Europa und weltweit beneiden uns um unsere Lebensqualität und unseren hohen sozialen Standard in unserer schönen Steiermark. Ich würde mir wünschen, dass man das wieder mehr erkennt, anerkennt und – trotz der Dinge, an denen man natürlich arbeiten muss – wieder mehr zu schätzen weiß.
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Barbara Riener:
Geboren 1962 in Wien, besuchte Barbara Riener die Volksschule in Deutschfeistritz. Nach dem Gymnasium besuchte sie di Akademie für Sozialarbeit in Graz. Berufliche Tätigkeit: Dipl.-Sozialarbeiterin, Psychotherapeutin und Mediatorin. Verschiedene politische Funktionen seit 2009.
Seit Jänner 2019 ist sie als ÖVP-Klubvorsitzende im Landtag sowie Sprecherin für Pflege, Sozialhilfe und Kinder- und Jugendhilfe.
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