Wunschlos glücklich

Wer freiwillig keine Kinder möchte, gilt in unserer Gesellschaft nicht als die Norm. Über die emotionale öffentliche Diskussion rund um das Thema gewollte Kinderlosigkeit.

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Und, wann ist es bei dir so weit?“, wird man als mehr oder weniger junge Frau oft sehr direkt ausgehorcht. Die Frage bezieht sich natürlich auf das Kinderkriegen. Antwortet man darauf nicht den Erwartungen entsprechend – mit einem „Nie“ –, fallen die Reaktionen meist wenig erfreut aus. Die Diskussion rund um das Thema gewollte Kinderlosigkeit wird emotional geführt. Gefühlt jede:r hat eine Meinung dazu, dabei ist die Entscheidung für oder gegen Kinder doch eigentlich eine sehr persönliche. Auch im 21. Jahrhundert scheint freiwillige Kinderlosigkeit immer noch ein Tabuthema, besonders bei Frauen – bei Männern ist man noch geneigter, entsprechende Positionen zu akzeptieren. In den letzten Jahren gab es jedoch vermehrt Frauen, die sich öffentlich zum Thema äußerten. Den Ausspruch „Kinderfrei statt kinderlos“ prägte etwa die deutsche Autorin Verena Brunschweiger 2019 mit ihrem gleichnamigen Manifest, das für großes mediales Aufsehen sorgte. Mit der Formulierung versuchte sie die negative Konnotation der Silbe „-los“ (siehe „arbeitslos“ oder „ahnungslos“) zu umgehen. Ein weiteres Tabu thematisierten die Studie und das dazugehörige Buch „Regretting Motherhood“ der israelischen Soziologin Orna Donath aus dem Jahr 2021. Sie befasst sich darin mit Müttern, die in ihrer Mutterrolle keine Erfüllung finden (und deswegen als kaltherzig dargestellt werden), und überlässt 27 betroffenen Frauen das Wort. Der sogenannte Antinatalismus, also die freiwillige Kinderlosigkeit, wird mittlerweile immer öfter öffentlich Thema. In den sozialen Medien gibt es sogar einen Hashtag zum Thema: ­#birthstrike.

Klimakrise als häufiger Grund

Die Gründe, sich gegen Kinder zu entscheiden, sind ganz unterschiedlich. Immer öfter sprechen junge Menschen davon, aufgrund des Klimawandels keine Kinder zu wollen. Ein amerikanisches Forscherteam errechnete, dass jedes nicht geborene Kind pro Jahr 58,6 Tonnen CO2 einsparen würde, nicht Auto zu fahren beispielsweise aber nur 2,4 Tonnen. Die Zahlen sollte man aber kritisch sehen, da bei der Berechnung nicht nur der Abdruck des Kindes, sondern auch dessen Nachkommen miteinberechnet werden. Fakt ist jedoch, dass sich das Konsumverhalten von frischgebackenen Eltern maßgeblich verändert, der eigene CO2-Ausstoß geht somit mit der Elternschaft ebenfalls nach oben. Zahlen darüber, wie viele den Klimawandel als Grund gegen das Kinderkriegen anführen, gibt es in Österreich im Moment nicht. Andere haben in der Debatte eher das Kindswohl im Auge. Sie stellen sich die Frage, ob unsere Welt – in einigen Jahren – noch so lebenswert sein wird, dass man seine Kinder darin aufwachsen sehen will. Die aktuellen Teuerungen, Kriege und die Pandemie – sozusagen die allgemeine Unsicherheit – sind für manche Gründe gegen eigene Kinder. Generell sprechen die Zahlen eine klare Sprache: In den 1960er-Jahren ­bekamen Frauen in Österreich durchschnittlich 2,8 Kinder, 2022 sind es nur mehr 1,48.

Mittelpunkt

Bisher ist der häufigste Grund für gewollte Kinderlosigkeit Selbstverwirklichung. Das ergibt eine deutsche Studie aus dem letzten Jahr. Die meisten der 1.132 befragten Frauen gaben an, ihre Freizeit flexibel gestalten, sich selbst verwirklichen und keine Verantwortung für eine weitere Person übernehmen zu wollen. Das Feld ist bisher schlecht erforscht, da die Entscheidung für oder gegen Kinder früher gar nicht möglich war. Auch in Europa sind Verhütungsmittel noch nicht so lange einer breiten Masse zugänglich, die Pille wurde etwa in den Sechzigerjahren eingeführt. Vermehrte Frauenrechte haben zu einem verminderten Kinderwunsch ebenfalls beigetragen.

Druck von außen

Problematisch und für manche ein Grund, keine Kinder zu wollen, sind die Ansprüche, die die Gesellschaft an (vor allem) Mütter stellt. 1975 verbrachten berufstätige Mütter in den USA ca. sechs Stunden pro Woche fokussiert mit ihren Kindern (basteln, spielen etc.). Heute sind es elf Stunden. Mamas sind heutzutage oft professionelle Ernährungsberaterinnen, Konditorinnen, Dekorateurinnen und vieles mehr. Entsprechende Vorbilder in den sozialen Medien verstärken den Druck, zur Übermama zu werden. Doch auch kinderlose Frauen haben mit Erwartungen von außen zu kämpfen. Kinderlosen wird so einiges unterstellt, von Egoismus über Karrieregeilheit über Unreife und Kinderhass bis Dummheit. Auch Bindungsunfähigkeit wird ihnen vorgeworfen, dabei zeigen Statistiken, dass 80 Prozent aller gewollt kinderlosen Frauen in festen Beziehungen leben. Bei aller Emotionalität sollte man nicht vergessen, dass Elternschaft etwas sehr Subjektives ist. Für die einen gibt es kein größeres Glück, andere können es sich wiederum gar nicht vorstellen – beide Lebensentwürfe haben ihre Berechtigung. Sich bei anderen in diese grundlegende Lebensentscheidung einzumischen, ist mehr als unsensibel.

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