Klare Worte

Auszug aus dem STEIRERIN Scheidungsguide 2023: Wie spreche ich am besten mit Kindern über eine Trennung?

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Wie spreche ich am besten mit Kindern über eine Trennung?
Xenia Hobacher, Landesleitung Rainbows Steiermark, weiß Rat.

Kleine Kinder, große Sorgen. Die Entscheidung, sich scheiden zu lassen, kann eine der schwierigsten Entscheidungen sein, die ein Paar in seinem Leben treffen muss. Die damit einhergehenden Emotionen und Herausforderungen treffen jedoch nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder der Familie – meist sogar mehr als die Großen.
Zu erklären, dass sie sich scheiden lassen, kann für Eltern daher eine schwierige und emotionale Aufgabe sein. Wie erklärt man einem Kind, dass die Familie nicht mehr zusammenleben wird? Wie kann man diese schwierige Zeit überstehen, ohne das Kind zu sehr zu belasten? Rainbows Steiermark hilft Kindern und Jugendlichen in stürmischen Zeiten – bei Trennung, Scheidung oder Tod naher Bezugspersonen. „Egal wer sich von wem trennt: Man geht gemeinsam eine Beziehung ein und gemeinsam auch aus einer Beziehung hinaus. Jeder hat diesbezüglich Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten und es ist nie nur einer von beiden ‚Schuld‘ beziehungsweise verantwortlich“, appelliert Landesleiterin Xenia Hobacher daran, das Wohl des Kindes über die eigenen Befindlichkeiten zu stellen. Im Interview gibt die Expertin hilfreiche Tipps für den Umgang mit dieser Situation.

Was kann Kindern helfen:

  • Rituale und Strukturen aufrechterhalten.
  • Verständnis für die Reaktionen der Kinder, aber nicht jeden Wunsch erfüllen.
  • Keine Angst vor einem „Nein“!
  • Den Kindern Gefühle zumuten und zutrauen, sie ernst nehmen.
  • Die Zeit hilft! Es dauert im Schnitt 1,5–2 Jahre, bis sich die neue Familiensituation neu sortiert hat.
Xenia Hobacher, Landesleitung Rainbows Steiermark © Foto Fischer

Wie sollten sich Eltern auf das Gespräch vorbereiten?
Xenia Hobacher: Schon vor dem Gespräch sollten sich beide Elternteile gut überlegen: Was muss das Kind wissen und welche Fragen könnte es dazu stellen? Am besten ist es, wenn Vater und Mutter sich darauf einigen können, das Gleiche zu sagen. Es verwirrt und verunsichert Kinder, wenn sie unterschiedliche Erklärungen bekommen.

Alleine oder gemeinsam mit dem Kind sprechen – was empfehlen Sie?
Das Gespräch sollte möglichst gemeinsam geführt werden. Ausnahme: Wenn die Gefahr besteht, dass dabei ein Streit entbrennt, ist es besser, wenn nur ein Elternteil diese Aufgabe übernimmt. Einigen Sie sich davor darüber, was Sie sagen werden. Nehmen Sie sich Zeit.

Gibt es einen „perfekten“ Zeitpunkt, um das Gespräch zu führen?
Kinder spüren die Veränderungen in ihrer Familie – getrennte Schlafzimmer, keine körperliche Nähe mehr, viel Zeit alleine mit einem Elternteil, die Eltern sind traurig. Unterstützen Sie Ihr Kind, indem Sie es so bald wie möglich in ausreichendem Maß und auf altersgerechte Weise über die Situation beziehungsweise die bevorstehenden Änderungen informieren. Die räumliche Trennung sollte so bald wie möglich vollzogen sein, um Klarheit zu schaffen.

Wie sehr sollte im Gespräch ins Detail gegangen werden?
Man sollte dem Kind in einfachen, klaren Worten erklären, dass Mama und Papa sich trennen werden. Das Kind muss von Anfang an hören, dass es keine Schuld an der Trennung trägt! Erklären Sie ihm aufrichtig, dass seine Eltern sich nicht mehr auf die gleiche Art lieb haben wie früher. Dass Sie daher nicht mehr zusammenleben können und wollen. Kinder brauchen keine detaillierten Informationen darüber, was zum Ende der Paarbeziehung geführt hat, und wollen diese Details in der Regel auch gar nicht hören. Es reicht, klarzustellen: Wir werden uns als Paar trennen und als Familie nicht mehr zusammenwohnen. Aber: Wir sind und bleiben deine Eltern!

Ihrer Erfahrung nach, wie reagieren Kinder meist?
Kinder reagieren sehr unterschiedlich auf die Ankündigung, dass die Eltern bald nicht mehr zusammenleben werden. Unter anderem hängt das von ihrem Alter und ihrer Persönlichkeit ab. Manche Kinder weinen oder bekommen einen verzweifelten Wutanfall. Manche ziehen sich zurück, reagieren auch scheinbar unbeteiligt, doch im Verborgenen leiden auch sie. Anfangs können sie sich noch nicht richtig vorstellen, wie sich die Trennung in ihrem Leben auswirken wird. Doch egal was das Kind nach außen hin zeigt: Die neue Situation führt immer zu Angst und Verunsicherung, weil es spürt, dass sich seine Welt grundlegend verändern wird. Seine Sicherheit und sein bisher vertrautes Leben geraten ins Wanken. Erlauben Sie Ihrem Kind, traurig, wütend und ängstlich zu sein und dies auch auszudrücken. Nehmen Sie es mit all seinen Gefühlen ernst.

Sie betonen in Ihrer Beratung, dass man die Kinder auch zu Fragen ermuntern sollte.
Um den Kindern ein schrittweises Verstehen und Einordnen der Situation zu ermöglichen, sollen Eltern auf die Fragen des Kindes eingehen und die Kinder auch zum Fragen ermuntern. Nur so kann es sich langsam auf die veränderte Situation vorbereiten. Wichtig ist es, von Kindern keine Entscheidungen einzufordern, sie werden dadurch völlig überfordert. Ihre Wünsche müssen aber gehört werden.

Welchen Fehler begehen Eltern oft beim Umgang miteinander?
Wichtig ist, dass ein Kind aus einem Teil Mama, einem Teil Papa besteht. Fällt ein Elternteil weg, fehlt auch ein Stück Identität vom Kind. Wird ein Elternteil abgewertet, wird auch ein Teil im Kind abgewertet. Eine der schwierigsten Aufgaben ist es meist, mit dem Kind zu reden, ohne den/die Partner*in schlechtzumachen, vor allem, wenn einer der beiden sehr gekränkt ist. Denn wenn dies passiert, kommt das Kind in einen Konflikt. Es weiß nicht, wen es nun liebhaben darf und auf welcher Seite es stehen soll.

Wie geht es nach dem Gespräch weiter?
Besprechen Sie mit Ihrem Kind so konkret wie möglich, wie sich sein Alltag in Zukunft ändern wird. Wo wird wer nach der Trennung wohnen? Wo wird es in die Schule/in den Kindergarten gehen? Wer kocht und bringt es ins Bett? Es muss wissen, wann und wo es Mama und Papa sehen wird. Sagen Sie Ihrem Kind aber auch, was nach der Trennung gleich bleiben wird. Um Ihrem Kind den Abschied vom ausziehenden Elternteil so leicht wie möglich zu machen, sollten Sie ihm genau erklären, wie und wo Papa oder Mama wohnen, schlafen und essen werden. Kinder machen sich Sorgen um ihre Eltern. Wenn Ihr Kind weiß, dass es Mama oder Papa in der neuen Wohnung gut geht und es dort auch einen Platz hat, ist das beruhigend.

Können Sie uns abschließend noch ein paar Tipps für den Einstieg in das Gespräch geben?

  • „Wir haben beschlossen, uns zu trennen.“
  • „Wir wollen und können nicht mehr miteinander leben.“
  • „Wir finden keine Lösungen für unsere Konflikte, daher möchten wir getrennt voneinander leben.“
  • „Wir haben einander nicht mehr lieb, das passiert manchmal unter Erwachsenen. Aber die Liebe zwischen Mutter und Kind, die Liebe zwischen Vater und Kind ist etwas ganz anderes, die dauert ein Leben lang.“
  • „Es tut uns leid, dass alles so gekommen ist und dass wir dir damit wehtun. Es ist die Entscheidung von uns Eltern. Wir sind überzeugt, es ist für uns alle besser so.“
  • „Wir lieben dich beide und werden immer für dich da sein, egal was kommen mag.“
  • „Wir sorgen dafür, dass es dir gut geht!“
  • „Die Trennung hat nichts mit dir zu tun. Das ist nur eine Sache von uns beiden!“

RAINBOWS STEIERMARK

Rainbows versucht, alle Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kindes zu stärken, die es braucht, um die veränderte Familiensituation positiv zu bewältigen und gleichzeitig seine Persönlichkeit optimal zur Entfaltung bringt.

Angebote von Rainbows Steiermark:

  • Elternberatung bei Trennung/Scheidung
  • Rainbows-Gruppen
  • Paarberatung
  • Elternberatung

www.rainbows.at

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