Zwischen Ruhm & Risiko – der Ehrgeiz ist geweckt
Die Facetten von Ehrgeiz
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Innovation. Fortschritt. Leistung. Rivalität. Überforderung. Burnout. Ehrgeiz kann konstruktiv, aber auch destruktiv sein. In ihrem neuen Buch „Ehrgeiz“ beleuchtet die Grazerin Andrea Stift-Laube alle möglichen Facetten, die damit einhergehen.
Mein Freund ist leidenschaftlicher Läufer. Vor ein paar Wochen hat er mal wieder bei einem Rennen mitgemacht. Mit dem Ziel: Gewinnen. Was sonst?! Und so lief er in insgesamt zehn Runden an mir vorbei. Zunächst jubelte ich ihm zu, nach der Hälfte etwa wollte ich den Veranstalter bitten, den Bewerb zu stoppen, weil mein Freund mir zurief, dass das Tempo für ihn zu hoch sei, und ich bildete mir ein, er war um die Nase auch schon etwas weiß.
Nach dem Lauf, er schaffte übrigens eine seiner persönlichen Bestzeiten, redete ich ihn darauf an, warum er denn nicht langsamer gemacht hatte, wenn es ihm scheinbar zu viel war. Er verstand nicht, was ich von ihm wollte: „Langsamer? Nie im Leben …“
Die Facetten von Ehrgeiz
Was wir hier haben, ist ein klassischer Fall von toxischer Ambition. Publizistin Andrea Stift-Laube hat ein Buch genau darüber geschrieben. In „Ehrgeiz“ (übermorgen Reihe, 21 Euro) beleuchtet sie alle möglichen Facetten, die damit einhergehen – die positiven wie auch die negativen. Innovation. Fortschritt. Leistung. Rivalität. Überforderung. Burnout. Wir sprachen mit der Grazerin darüber, wie wichtig es ist, sich immer wieder auf eine Parkbank zu setzen und wie man am besten mit unperfekten Ergebnissen umgeht.
Es gibt viele Zugänge zum Thema Ehrgeiz. Manche finden Ehrgeiz peinlich und unerotisch … Andere definieren sich darüber oder sagen, Ehrgeiz ist wichtiger als Intelligenz, wenn man’s im Leben zu was bringen will. Wie stehen Sie dazu?
Andera Stift-Laube: Für mich hat Ehrgeiz zwei Seiten. Er kann sowohl konstruktiv als auch destruktiv daherkommen. Ehrgeiz ist dafür verantwortlich, dass es Erfindungen und Fortschritt gibt. Aber er holt im Menschen auch nicht immer das Beste hervor, schürt oft starkes Konkurrenzdenken und lässt auf die Dinge vergessen, die im Leben schön und wertvoll sind.
Muss man es im Leben eigentlich immer zu etwas bringen?
Nein, sicher nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass Ehrgeiz zu uns Menschen dazugehört. Sobald wir von anderen umgeben sind, messen wir uns – und wollen dann natürlich nicht unbedingt schlechter aussteigen …
Sie beleuchten in Ihrem Buch die konstruktive wie auch destruktive Eigenschaft von Ehrgeiz. Wann spornt er uns an, wann bremst er uns?
Wenn er uns motiviert, hat es was Gutes. Gefährlich wird’s dann, wenn die Motivation in eine Art Getriebenheit kippt, die man nicht mehr so ganz unter Kontrolle hat – Stichwort Burnout. Viele Führungskräfte da draußen fördern den Ehrgeiz ihrer Mitarbeiter:innen nicht nur, sondern nutzen ihn aus. Auch die Gesellschaft suggeriert uns, dass man, wenn man dranbleibt, alle Ziele erreichen kann. Nur muss man sich auch immer fragen: Zu welchem Preis? Und immer stimmt das auch gar nicht. Es wird zum Beispiel zunehmend schwieriger beziehungsweise unmöglich, sich ganz allein Eigentum zu schaffen. Viele laufen der Idee aber noch nach und kommen dabei mehr und mehr außer Atem.
Wenn Ehrgeiz uns motiviert, hat es was Gutes. Gefährlich wird’s dann, wenn die Motivation in eine Art Getriebenheit kippt …
Andrea Stift-Laube
Dranbleiben oder loslassen – wie findet man für sich selbst heraus, was für einen in der jeweiligen Situation das Beste ist?
Vorigen Sommer hatte ich das Gefühl, irgendwas stimmt nicht mehr in meinem Leben. Ich habe mich dann einmal bewusst auf eine Parkbank gesetzt, mich ehrlich gefragt, wie es mir geht, welche Ziele mir noch dienlich sind, welche nicht.
Wie ging’s dann auf der Parkbank weiter?
Mit der Erkenntnis, dass ich mehr auf mich hören muss. Ich habe dann auch eine Prüfung an der Uni aufs nächste Semester verschoben, weil mir sonst alles zu viel geworden wäre. Das Studium mache ich nur für mich und muss mir damit auch keinen Druck machen. Das Tolle: Die Welt dreht sich auch dann noch weiter, wenn man nicht alles schafft, was man sich vorgenommen hat.
Ehrgeiz hat ja auch oft mit Selbstoptimierung zu tun. Wie befreien Sie sich aus der Perfektionismus-Falle?
Ich gehe Schwammerl suchen, laufen – ganz bewusst ohne Schrittzähler – oder ich koche mit meinem Mann und wir trinken ein Glaserl Wein. Ich leide ja auch an einer Umwelt-Neurose, wie ich es nenne. Ich habe immer das Gefühl, durch mein Konsumverhalten die Welt retten zu müssen. Das ist teilweise schon so ausgeartet, dass ich zehn Minuten in der Gemüseabteilung stand. In der einen Hand eine Bio-Gurke in Plastik eingepackt, in der anderen Hand eine unverpackte Gurke, aber nicht bio. Mittlerweile reiße ich mich besser zusammen und sag’ mir: Nimm halt irgendeine Gurke. Ich besinne mich darauf, dass ich schon was beitragen kann, aber für die wirklich großen Veränderungen bedarf es politischer Entscheidungen.
Ehrgeiz ist nicht gleich Perfektionismus
Wie gehen Sie mit unperfekten Ergebnissen um?
Bei anderen entspannter als bei mir selbst. Das ist mir schon länger bewusst und deshalb habe ich für mich das Motto entwickelt, dass es oft auch reicht, wenn man etwas ausreichend gut schafft. Es muss nicht immer alles perfekt sein.
Was ist Ihnen an Ihrem Buch nicht perfekt gelungen?
Ich habe nicht recherchiert, woher das Wort „Ehrgeiz“ kommt, wurde jetzt schon so oft danach gefragt und ich bin noch immer nicht dazugekommen …
Hat sich der Ehrgeiz über die Jahre hinweg verändert?
Die sozialen Medien haben sicher was dazu beigetragen, nicht unbedingt in eine positive Richtung, aber mittlerweile hat sich das Ganze wieder etwas beruhigt, denke ich. Es ist alles durchschaubarer geworden und wir wissen, dass viele Postings einfach nur inszeniert sind.
Was haben Sie beim Schreiben des Buches für sich selbst mitgenommen?
Das Bewusstsein, dass wenn ich einmal am Sterbebett liege, ich keinen Ehrgeiz mehr haben möchte. Dass ich in Ruhe loslassen kann. Es soll das Gefühl überwiegen, alles, was ich mir vorgenommen habe, geschafft zu haben. Und dass es meiner Familie gut geht.
Buchtipp
Ehrgeiz
von Andrea Stift-Laube
- Hardcover kaschiert
- 112 Seiten
- Format 12,5 x 19 cm
- 1. Auflage
- Kremayr & Scheriau 2023
- 21,– € inkl. MwSt.
- ISBN: 978-3-218-01392-5
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