Diese Highlights sollte man in Heidelberg erleben
Ein Besuch in der romantischsten Stadt Deutschlands.
© Martin Duschek
TEXT: Martin Duschek
Da nahm der Fürst seine Frau auf die Arme und sprang mit ihr vor dem Feuer aus dem zweiten Stock hinunter. Der eiserne Schuh seiner Rüstung hinterließ den Fußabdruck im harten Stein hier“, erzählt Gästeführerin Rita Schmitz den staunenden Besucher:innen auf der Schlossruine Heidelberg. „Es gibt aber auch eine zweite Version der Sage“, lächelt sie verschmitzt, „in dieser kam der Fürst unerwartet ins Schloss zurück und es war der Liebhaber, der in voller Rüstung aus dem Fenster flüchtete.“
Sei’s wie es sei. Jedenfalls geht es um Liebe und Romantik bei dem täuschend echt wirkenden Abdruck im harten, roten Stein auf der Terrasse der wohl schönsten Ruine der Welt. Überhaupt, Heidelberg steht als Inbegriff der deutschen Romantik. Schon Oswald von Wolkenstein dichtete einst: „Ich rühm dich Heidelberg.“ Goethe traf sich hier mit seiner großen Liebe Marianne von Willemer, Eichendorfs Trennungsschmerz von seiner geliebten Katharina entsprang „Das zerbrochene Ringlein“ und auch Clemens Brentano, Heinrich Heine und Gottfried Keller widmeten der Stadt ihre Verse.
Sie alle waren angetan von dem überwältigend schönen, harmonischen Ensemble der Häuser aus dem typischen roten Neckartäler Hartsandstein, der mächtigen Heiliggeistkirche, der ehrwürdigen Ruprecht-Karls-Universität, der berühmten steinernen Brücke über den Neckar und natürlich von der alles überragenden Ruine des einst prächtigsten Kurfürstlichen Schlosses im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Deutschlands romantischste Stadt verdankt ihren Charme blinder Zerstörungswut. Erzürnt über die gescheiterte Ehe zwischen Kurfürst-Tochter Elisabeth Charlotte – genannt Liesl von der Pfalz – und dem französischen Herzog von Orléans bat dieser seinen Bruder König Ludwig XIV. zur Zeit des Pfälzischen Erbfolgekrieges, die Stadt samt Schloss zu vernichten. Der Sonnenkönig kam der Bitte gleich zweimal nach – mit aller Gründlichkeit.
Die bis zu 7 Meter dicken und 50 Meter hohen Wehrtürme des Schlosses galten als unzerstörbar, doch unter 14 Tonnen Schwarzpulver barsten auch sie und liegen heute noch malerisch in Trümmern rund um die hohen leeren Fassaden des einstigen Prachtbaus. Die mittelalterlichen Fachwerkhäuser der Stadt wurden einfach niedergebrannt. Lediglich eine Handvoll Gebäude, darunter der gemauerte Hexenturm, heute ein Blickfang im Campus der Universität, überstanden das Massaker.
Von Franzosen zerstört, von einem Franzosen gerettet.
Just wieder ein Franzose, Charles de Graimberg, erwirkte zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Erhalt der Ruine und damit Deutschlands beliebtestes Postkartenmotiv. Die Stadt selbst stieg wie ein Phönix aus der Asche empor. Die neuen Bürgerhäuser entstanden im Barockstil einheitlich aus dem gleichen roten Sandstein. Mit der Blüte der Universität – sie ist nicht nur Deutschlands älteste, sondern zählt bis heute stolz zehn Nobelpreisträger zu ihrem Lehrpersonal – wuchsen an den Neckarhängen gewaltige neugotische Villen, in deren verspielten Türmchen und Erkern zumeist die Aktiven der mehr als zwei Dutzend Studierendenverbindungen Heidelbergs residieren.
Den Ersten und den Zweiten Weltkrieg überstand Heidelberg beinahe ohne Zerstörungen. Es heißt, die Amerikaner wären vom Ensemble so angetan gewesen, dass keine Bombardierung erfolgte. Lediglich die alte Neckar-Steinbrücke wurde – jedoch von den Nazis selbst – gesprengt. Schon Ende der 1940er-Jahre erfolgte ihre authentische Rekonstruktion. Heute gehört sie zu den touristischen Hotspots. Sie verbindet mit ihren beiden markanten Wachtürmen Altstadt und Neuenheim. Als romantischer Treffpunkt für Verliebte litt das Bauwerk unter der Anbringung von Liebesschlössern so sehr, dass die Stadtverwaltung am rechten Ufer einen eigenen „Liebesstein“ für diesen Brauch aufstellen ließ. Sein kreisrundes Guckloch lenkt den Blick geradewegs auf die Ruine und dient jungen wie alten Verliebten als Selfiemotiv.
Philosophie, Studierende und Burgzwerge in Heidelberg.
Hier am rechten Neckarufer führt der Schlangenweg steil durch terrassierte Weinberge hinauf zum Philosophenweg, einem breiten Wanderweg, der einen atemberaubenden Blick auf das Heidelberger Ensemble eröffnet. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Jaspers und Erich Fromm pflegten hier zu spazieren und über Gott und die Welt zu sinnieren. Philosophie gehörte lange Zeit zu den Eingangspflichtfächern an der Universität. Die Wegbezeichnung geht deshalb vermutlich auf die „Heidelberger Studenten“, auch „Philosophen“ genannt, zurück, die abseits der Stadt einen romantischen Ort für ungestörte Zweisamkeit suchten.
Die gewaltige, sagenumwobene Schlossruine mit ihren unzähligen versteckten Plätzen, Aussichtspunkten und Schätzen zieht seit mehr als 300 Jahren Tausende Besucher:innen Jahr für Jahr in ihren Bann. Zum Pflichtprogramm jeder Besichtigung zählt das Ersteigen des „Großen Fasses“, das der historisch verbriefte Burgzwerg Perkeo angeblich ausgesoffen haben soll. Bei 220.000 Litern Fassungsvermögen erscheint dies eher unwahrscheinlich. Wahr hingegen ist, dass der kleinwüchsige Clemens Pankert aus Welschtirol stammend, dem Weine sehr zugetan war. Wann immer er für einen weiteren Schoppen gefragt wurde, soll er „Perché no?“ geantwortet haben. Diese und zahlreiche andere Überlieferungen bezeugen, dass es am Hofe der Kurfürsten lustig zuging. So diente das gigantische aber letztlich undichte Fass der Gesellschaft auch als Tanzboden.
Kultur blüht auf.
Heidelberg lebt jedoch nicht nur von seiner Geschichte alleine. Mit dem „Heidelberger Frühling“ etablierte sich hier in 28 Jahren eines der bedeutendsten Festivals klassischer Musik Deutschlands. „Zum erfolgreichen Konzept gehört, Weltstars dieser Szene mit talentierten Nachwuchskünstler:innen zusammenzubringen“, verrät Intendant Thorsten Schmidt im Gespräch mit der TIROLERIN. Kultur dürfe nicht losgelöst von der Welt betrachtet werden, sondern müsse den Finger am Puls der Zeit haben.
So lag 2019 der Schwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz (KI), 2024 setzt Schmidt auf Johannes Brahms und schließt nach der coronabedingten Pause ans Gründungsjahr 1997 an: „In dem von uns angebotenen ,Brahms.LAB‘ denken junge Musiker:innen über Relevanz und Wirkungsmöglichkeiten von klassischer Musik in der Stadtgesellschaft nach. Darin sehe ich die Kernaufgabe eines Festivals.“ Mit dem internationalen Wettbewerb „Das Lied“ verfolge man weiters das Ziel, große Liedsänger:innen der jüngeren Generation zu fördern. Publikum, Veranstalter:innen und Agenturen entdecken hier die Stimmen von morgen. Die Preisträger:innen erhalten neben einem Preisgeld von 40.000 Euro Auftritte in international renommierten Konzertsälen.
Heidelberger Frühling.
Längst beschränkt sich der „Heidelberger Frühling“ nicht auf die namensgebende Jahreszeit allein. Von Jänner bis August erstreckt sich das Konzertprogramm. Die einzelnen Höhepunkte finden oft im einmalig schönen Rahmen in der alten Aula der Universität statt. Im gänzlich holzgetäfelten, akustisch hervorragenden Prunksaal mutiert der Konzertbesuch zu einer romantischen Zeitreise in eine goldene Vergangenheit.
Heidelberg wäre keine Kultur- und Studierendenstadt ohne seine pulsierende Lokalszene. Während sich tagsüber die Gäste in der 1,4 Kilometer langen, autofreien Hauptstraße tummeln, konzentrieren sich Nachtschwärmer:innen auf die „Untere Straße“, wo sich Beisl an Beisl reiht. Aber auch hier finden sich romantische Ecken und Geschichten. Die Mädchen der feinen Gesellschaft gingen früher mit ihren Gouvernanten als Aufpasserin gerne in das Café Knösel. Das wussten natürlich die Herren Studenten, die zum Anbandeln eine eigens dafür geschaffene Süßigkeit, den „Heidelberger Studentenkuss“, verteilten.
Bei so einem Geschenk konnten auch die Anstandsdamen nicht verhindern, dass sich die Mädchen mit einem echten Küsschen bedankten. Der „Heidelberger Studentenkuss“, eine köstliche Schokopraline mit bekanntem Schattenriss als Logo, bewährt sich bis heute als Mitbringsel aus der wohl romantischsten Stadt Deutschlands.
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