Daniela Nebauer erzählt von ihrem Kampf gegen den Brustkrebs
Und plötzlich ohne Boden
© Studio Emanuel Mayr
Bis zu ihrem 34. Lebensjahr führte Daniela Nebauer ein recht geradliniges Leben. Sie wuchs mit ihrer jüngeren Schwester behütet in Fürstenfeld auf, heiratete, bekam drei Söhne, machte zwischendrin ihren Master in Physiotherapie und sich später bei einer befreundeten Ärztin selbstständig, kaufte ein Haus. Dann kam es jedoch zur Trennung von Daniela und ihrem Mann. Ein Jahr später brach dieser den Kontakt zu seinen Kindern ab. Nur wenige Monate später erhielt Daniela mit 38 Jahren die Diagnose Brustkrebs.
Wie wurde die Krankheit entdeckt?
Daniela Neubauer: Ich habe es selbst bemerkt. Ich habe einen Knoten gespürt und gleich gewusst, was es ist, weil ich das aus der Arbeit kenne. Bei der darauffolgenden Mammografie wurde ein Karzinom mit 9 Millimetern gefunden, es war echt noch klein. Mir wurde gesagt, man kann eine Biopsie machen, es einfach rausschneiden und fertig. Bei der ersten Besprechung stellte sich aber heraus, dass es nach histologischer Einteilung ein G3 war, also sehr schnell wachsend und aggressiv. Da war klar, es gibt eine gute Chance, dass ich es überstehe, aber ich brauche das ganze Programm, Chemo- und Strahlentherapie.
Stark sein ist leicht, wenn man keine andere Wahl hat.
Daniela Neubauer
Wie verlief die Behandlung?
Die Chemo hatte ich von Juli bis Dezember 2022. Im Jänner wurde ich dann operiert, dann kam drei Monate später die Strahlentherapie, damit bin ich im Mai fertig geworden. Seither kämpfe ich mich zurück, versuche teilweise zu arbeiten, was manchmal schlechter und manchmal besser geht. Die Selbstständigkeit ist problematisch. Während der Chemo war es wirklich unmöglich, zu arbeiten. Zum Glück hat sich ein Herr von der Sozialversicherung dafür eingesetzt, dass ich für ein Jahr eine Erwerbsunfähigkeitspension bekomme, da ich einen stehenden Beruf habe. Die reicht zwar auch nicht, aber hilft bis zum Ende des Jahres. Bis dahin hoffe ich, dass ich wieder fit genug bin, um Vollzeit arbeiten zu gehen.
Was waren für Sie die größten Schwierigkeiten?
Fast die größte Hürde war, wo ich die Kinder unterbringe, denn es waren Sommerferien. Zum Glück konnte meine Mutter oft einspringen, aber ich hatte immer Angst, dass etwas außerplanmäßig passiert, was dann auch so war. Für diese „sozialen Probleme“ war es sehr schwierig, eine Lösung zu finden. Und irgendwann gehen dem Umfeld auch die Energie oder die Urlaubstage aus, um sich zu kümmern. Außerdem konnte und kann ich nicht mehr so, wie andere in meinem Alter, was mich sozial etwas isoliert.
Wie war die Chemotherapie für Sie?
Ganz anders als erwartet. Mir war gar nicht so häufig schlecht, da gibt es mittlerweile sehr gute Medikamente. Die Glatze war auch nicht so schlimm, weder für meine Kinder noch für mein Umfeld. Aber mein Hirn hat so ausgesetzt, ich war ganz verlangsamt im Denken. Ich wusste nicht mehr, wie man „Mehl“ schreibt oder wie man Stiegen steigt. Die schlimmste Sorge war, dass ich mich verantwortungslos gegenüber den Kindern verhalte. Im Nachhinein sagen sie, dass ich zu allem „Ja“ gesagt habe, auch zum vierten Eis, aber ich kann mich nicht daran erinnern. Es war schlimm, wenn man eine so selbstständige Frau ist, die drei Kinder und die Arbeit wuppt und dann plötzlich nichts mehr alleine kann. Und die Angst, was wird: Mein Großer hat mich einmal angeschrien, dass ich ihm sagen soll, wann ich sterben werde.
Wie haben Sie das alles geschafft?
Mit viel Hilfe von meinem Umfeld. Freunde haben eine Spendenaktion organisiert und bei der Caritas angerufen, die eine Familienhelferin geschickt haben, um mir vier Stunden pro Woche Arbeiten abzunehmen. Alleine hätte ich nicht geschafft, so etwas zu organisieren. Und ich war auch in Psychotherapie, wobei das für meine Kinder eigentlich auch notwendig gewesen wäre.
Wie geht es Ihnen mittlerweile?
Ich bekomme den Alltag hin, auch wenn es wahnsinnig anstrengend ist. Mein Leben war vorher schon voll, und jetzt muss ich es mit 60 Prozent Leistungsfähigkeit stemmen. Die nächste Etappe wäre, wieder voll zu arbeiten. Und dass auch ein bisschen Zeit für mich übrig bleibt, aber das Ziel ist noch in sehr, sehr weiter Ferne. Andererseits zähle ich ja zu den Glücklichen, die noch leben, im Gegensatz zu Freundinnen, die gestorben sind.
Schwierig ist auch, dass es keine Prognosen gibt, wie es weitergeht, ob der Krebs zurückkommt. Wenn er wiederkommen würde, ginge das ganze Prozedere von vorne los. Schwierig ist auch, dass jetzt, wo meine Haare wieder wachsen, viele glauben, dass es vorbei ist. Aber dass die Hormontabletten, die ich die nächsten Jahre nehmen muss, so schlimme Gelenksschmerzen
verursachen, dass ich teilweise keine Treppen gehen kann, sieht auf den ersten Blick keiner.
Können Sie etwas Positives aus Ihrer Erfahrung mitnehmen?
Ja, ich habe gelernt, dass ich auch mal zwei und zwei fünf sein lassen kann. Und dass ich Kleinigkeiten mit mehr Gelassenheit sehe. Meine Kinder haben gelernt, wie sehr man als Familie zusammenrücken und auf wen man sich verlassen kann und sind viel selbstständiger geworden.
Du musst den Krebs mit offenen Armen empfangen.
Daniela Neubauer
Was hat Ihnen am meisten geholfen in dieser Zeit?
Ich habe geschafft, es als Chance zu sehen, mit fast 40 mein ganzes Leben auf die Waagschale zu legen und neu zu bewerten. Man wird zum Innehalten gezwungen – es entsteht am Anfang eine Leere, die sehr beängstigend ist. Aber dabei kann man gut in sich hineinspüren und sich fragen: Wo sind meine Prioritäten? Wirklich geholfen haben mir: Menschen, die gern bei mir sind, ein guter Kaffee mit einem Freund und eine halbe Stunde im Gras sitzen.
Was raten Sie Angehörigen?
Ruft die Leute an, die euch am Herzen liegen, und tragt eure Hilfe an. Denn viele schaffen es nicht, um Hilfe zu bitten.
Was können Sie anderen Betroffenen beim Umgang mit einer Krebsdiagnose raten?
Frag nicht warum. Der Krebs ist da und du musst ihn mit offenen Armen empfangen, so blöd das klingt, weil er wird so schnell nicht weggehen. Versuche auch in dieser furchtbaren Zeit die Arme offen zu haben für die guten Dinge, die passieren. Und es ist so viel Gutes passiert, ich habe jetzt erst gespürt, wie sehr mein soziales Netz mich hält und wie wichtig menschliche Beziehungen sind. Und ich habe Tag für Tag gelebt.
Wichtig ist auch, zu sagen, was man braucht: Man darf nicht erwarten, dass die Angehörigen wissen, was zu tun ist, die sind oft hilflos. Und man darf nicht so streng mit sich sein. Mir hat es auch geholfen, Leute zu finden, die den Krebs schon besiegt haben – weil sie wissen, was kommt. Das hilft, das bereitet einen vor, da kann man sich festhalten. Und den Überlebenden möchte ich sagen: Seid ehrlich im Hinblick auf eure Erfahrungen. Es bringt niemandem etwas, es schönzureden.
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