© Barbara Wirl
„Go with the Flow“ ist das Motto von Ex-Ski-Star Elisabeth „Lizz“ Görgl – und so smooth verlief auch das Interview, das wir mit ihr zur Veröffentlichung ihres ersten Buches führten.
Lizz Görgl kennen die meisten als ehemalige Doppelweltmeisterin und leidenschaftliche Sängerin. Sie ist aber auch systemischer Coach der Organisations- und Personalentwicklung, Speakerin, arbeitet an ihrer Masterarbeit – und ist seit Neuestem auch Buchautorin. Gemeinsam mit dem renommierten Speaker und Mentalcoach Michael von Kunhardt hinterfragt sie in „Die Magie des Flows“, welche begünstigenden Faktoren es dafür braucht und welche Flow-Hemmer es gibt. Entstanden ist eine interessante Mischung aus Sachbuch mit integriertem Dialog der beiden Autor:innen und Sportlerinnen-Autobiografie. „Wir haben uns bemüht, das Thema wissenschaftlich fundiert für die breite Leserschaft auf den Punkt zu bringen“, so Görgl. Die sympathische Obersteirerin will „Bewusstsein schaffen für die Themen, die uns als Menschen ausmachen“ und geht im Interview wirklich in die Tiefe – es menschelt.
Was ist dieser Flow, um den es in deinem Buch geht?
Lizz Görgl: Der Flow ist ein magischer Zustand, deshalb auch das Wort „Magie“ im Titel: „Die Magie des Flows“. Der Flow wird ganz klar beschrieben als ein Zustand der totalen Leichtigkeit, in dem alles gelingt, Zeit und Raum verschmelzen, absoluter Fokus und absolutes, erfülltes Aufgehen in der Tätigkeit herrschen und sich Glück einstellt.
Welches Flow-Ereignis hat dich in deinem Leben am meisten beeindruckt?
2011 bei der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen hatte ich einen Flow-Run, der mich zur Doppelweltmeisterin machte. Das ist auch die erste Geschichte im Buch. Es war so arg, denn ich bin mit 130 Stundenkilometern den Berg hinunter, und plötzlich habe ich mir wirklich von außen zugeschaut. Ich bin gefahren worden, wie eine Marionette. Es hat einfach alles gepasst, ich war in der absoluten Perfektion und Präzision und dann mit fast einer Sekunde Vorsprung im Ziel. Aber ich habe und hatte immer wieder einmal Flow-Zustände, auch schon bei Skirennen davor oder wenn ich ein Konzert singe, einen Vortrag halte, bei Gesprächen.
Ist ein Flow ein bekannter Zustand im Spitzensport?
Ich habe für das Buch einige Kolleg:innen interviewt, etwa Renate Götschl, Tina Maze oder Maria Höfl-Riesch – und alle berichten davon. Das ist ein Zustand, den kannst du nicht erzwingen – und doch gibt es Grundregeln, die man berücksichtigen kann. Da geht es in Richtung maximale Selbstwirksamkeit und Selbstführung – ein Thema, bei dem wir alle noch viel Potenzial haben. Ich finde es spannend, die Verantwortung für das eigene Leben, das Gelingen in welcher Form auch immer zu übernehmen – dahingehend möchte ich die Menschen ermutigen.

Du hältst aber nichts von Plattitüden wie: „Man kann alles schaffen“?
Nein, weil interessant wird es erst, wenn ich weiß, wie! Man muss nach innen schauen: Worum geht es wirklich? Dann mache ich nicht mein Umfeld, meine Situation, meine Rahmenbedingungen verantwortlich für Frust, sondern frage mich: Was kann ich jetzt machen, damit es besser wird? Dann werde ich frei und selbstwirksam und kann mir selbst vertrauen, dass ich das schon hinbekomme. Ich habe aber auch schon die Erfahrung gemacht, dass ich etwas erreicht habe, was ich stark angestrebt habe, und dann trotzdem gedacht habe: So ganz erfüllt bin ich nicht. Das ist eben dann anders, wenn ich meine Ziele aus meinem Innersten ableite. Dann finde ich Erfüllung und in weiterer Folge Berufung.
Wie fühlst du dich beim Erscheinen deines ersten Buches?
Ich bin total ergriffen (Lizz steigen die Tränen auf). Weil, wer mich kennt, weiß: Ich bin auf der einen Seite ein Machertyp, ich liebe den Sport, die Bewegung, wenn was passiert. Und auf der anderen Seite denke ich immer schon sehr viel über das Leben nach und über den Sinn des Lebens. Auch daraus resultierend darüber, was ich für ein Mensch sein will – die Themen Psychologie und Philosophie interessieren mich schon immer. Und im Buch steckt mein ganzer Weg drin, ganz viele Erkenntnisse und viel Austausch mit wichtigen Menschen.
Wie schaffst du den Spagat zwischen Überoptimierung und Flow?
Indem ich meinen Fokus nach innen lege. Viele glauben nicht, dass ich auch meine inneren Dämonen hatte und mein Weg auch keine „gmahte Wiesn“ war. Aber ich habe es geschafft, schonungslos ehrlich und echt, mit mir selbst ins Gericht zu gehen, in die Tiefe zu gehen, weil ich wirklich mein Innerstes leben möchte. Und mein Leben meiner Seele schenken möchte, weil ich auch diesen Kampf zwischen Ego und Seele kenne. Ich glaube, es gibt da in mir eine Stimme, die es gut mit mir meint, die es mit jedem Menschen gut meint. Also es geht sicher nicht um Selbstoptimierung. Flow entsteht erst, wenn ich erkenne: Es ist alles da, es ist alles gut, ich darf mich hier und heute frei entfalten.
Hättest du einen Tipp für Frauen, wie man am besten mit Leistungsdruck umgeht, ob privat oder beruflich?
Einerseits reflektieren, sich selbst immer wieder hinterfragen. Ich erkläre im Buch eine Meditation, die mir immer geholfen hat, diesen Kontakt zu meinem Innersten aufzubauen. Bei Problemen mich selbst fragen: Worum geht es wirklich? Und so lerne ich mich selbst immer besser kennen und kann dementsprechend Entscheidungen treffen. Ich habe da vier Schritte: innehalten, analysieren, erkennen, verändern. So bin ich selbstwirksam und kein Passagier meines Lebens.

Manchmal komme ich auch erst rückblickend drauf, wofür etwas gut war. Gleichzeitig hilft es natürlich, wenn man sich Hilfe holt: von einem Coach, einer Vertrauensperson, einer guten Freundin, die aber auf einer emotionsfreien Ebene mit einem spricht, ohne ihre eigenen Themen mit reinzubringen. Mein Buch lesen hilft sicher auch (lacht). Und in den Wald gehen, spazieren gehen – was wir als Menschen evolutionär gesehen brauchen, damit es uns gut geht. Was sicher nicht zielführend ist: viel Zeit auf Social Media zu verbringen. Und wenn, dann mit Inhalten, die positiv sind oder die mich wirklich berühren.
Warum war das Thema „Kinder und Flow“ ein eigenes Kapitel wert?
Weil ich glaube, Flow ist die Natur des Menschen, nur wir tun ganz viel, damit wir nicht in den Flow kommen. Und Kinder sind aus meiner Beobachtung heraus im Dauerflow, wenn man sie lässt. Sie denken weniger, sie sind mehr im Hier und Jetzt und haben diese spielerische Art und Weise, Dinge zu begreifen, die wichtig sind. In Österreich ist es ja leider noch nicht so verbreitet, dass viel Augenmerk auf Bewegung gelegt wird im Kindergarten oder in der Volksschule. Aber da wird die Basis für eine gesunde Gesellschaft geschaffen, die dann im Idealfall keine Krankenhäuser braucht und auch keine Pflege im Alter.
Was sollen die Leser:innen aus dem Buch mitnehmen?
Dass sie in die Akzeptanz mit sich selbst gehen und sich frei entfalten können. Ich glaube, wenn wir das im Kollektiv weltweit schaffen würden, wäre die Produktivität und der Umgang miteinander ein ganz anderer. Da würde viel mehr funktionieren und wir hätten es alle feiner. Das wünsche ich mir für die Welt.
Buch-Tipp von Lizz Görgl:

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Mehr über die Autorin dieses Beitrags:

Betina Petschauer ist Redakteurin bei der STEIRERIN und hauptsächlich für die Ressorts Genuss, Leben, Freizeit, Menschen und Emotion zuständig. Als Foodie zieht sich die Leidenschaft für Essen und Trinken durch alle Bereiche ihres Lebens. Daneben schlägt ihr Herz für Serien, Filme und Bücher, die sie in der Rubrik „Alltagspause“ auch regelmäßig rezensiert.
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