
Was es bedeutet, in unserer Gesellschaft single zu sein
Der Valentinstag feiert die Liebe, doch für Singles bedeutet der Februar oft einen Spießrutenlauf. Was hat unsere Gesellschaft eigentlich gegen Singles?
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Schon im Jänner leuchten rote Herzen aus den Schaufenstern, die Werbung zeigt glückliche Paare und Restaurants preisen Candle-Light-Dinner an. Valentinstag steht vor der Tür und alles scheint sich um die Liebe zu drehen. Doch für eine Gruppe hat dieser Monat einen faden Beigeschmack: die Singles.
Obwohl es in Österreich fast 2,1 Millionen Alleinstehende gibt, wie eine Umfrage der Datingplattform Parship aus dem Jahr 2023 ergab, ist es in manchen Kreisen immer noch ein Stigma, keine:n Partner:in zu haben. Allein ins Kino gehen? Traurig. Alleine reisen? Langweilig – oder gefährlich, je nachdem, wen man fragt. Kein Date am Valentinstag? Bemitleidenswert. Ob in der Werbung, in den sozialen Medien oder im Film, die Botschaft ist klar: Wer allein ist, dem fehlt etwas. Dabei ist Single-Sein oft eine bewusste Entscheidung.
Schema F
Die Ursache für die gesellschaftliche Skepsis gegenüber Singles liegt unter anderem im traditionellen Bild der (jungen) Familie. Vor allem Frauen können ein Lied davon singen, wie sehr der gesellschaftliche Druck auf sie um den 30. Geburtstag zunimmt. Wer keine:n Partner:in hat, wird ständig gefragt, ob es denn niemanden gibt. Wer nicht verheiratet ist, wird gefragt, wann es denn endlich so weit sei. Wer verheiratet ist, den erwartet die unvermeidliche Frage nach dem Nachwuchs. Wer das abgehakt hat, wird meist bald gefragt, ob denn das zweite Kind schon in Planung sei.

Ob Arbeitskolleg:innen, Verwandte oder Wildfremde – alle, die auf diese Weise nachbohren, stellen einen alternativen Lebensentwurf infrage. Bei Single-Männern tickt die biologische Uhr langsamer und die Nachfragen im Umfeld sind weniger laut, dafür gelten Junggesellen schnell als bindungsscheu oder Womanizer. Es gibt sogar Fachbegriffe für dieses Verhalten: „Singlismus“ nennt sich das Stigma, das die Gesellschaft alleinstehenden Erwachsenen auferlegt. „Matrimanie“ ist die Überbewertung und Besessenheit der Gesellschaft, unbedingt heiraten zu müssen.
Moderne Tradition?
Traditionelle Rollenbilder erleben auch durch Social Media ein Revival. Ein Beispiel dafür ist der „Trad Wife“-Trend, bei dem junge Frauen ihren Alltag zeigen, in dem sie ein besonders konservatives Beziehungsbild leben. „Trad“ steht für „traditionell“, was in diesem Fall bedeutet, dass Frauen zu Hause bleiben, sich um den Haushalt (und Selfcare) kümmern und der Partner das Geld verdient – so wie es früher in den meisten Familien Usus war. Glückliche Singles? Fehlanzeige.
Singles gegen den Strom
Der gesellschaftliche Druck hat bei manchen zu einer radikalen Abkehr von der traditionellen Zweierbeziehung geführt: In Südkorea findet ein neuartiges „Glücksmodell“ für ledige Frauen und Männer großen Anklang: „Honjok“. Der Begriff beschreibt die Kunst, erfüllt und glücklich allein zu leben und heißt übersetzt so viel wie „Einpersonenstamm“. Als Honjoker:in unternimmt man auf eigene Faust Dinge und lernt, die Zeit mit sich selbst wertzuschätzen – bewusst ohne Partner:in. Stattdessen hat man enge Freundschaften oder gute Beziehungen zur eigenen Familie, mit denen man etwas unternimmt, wenn man doch mal nicht allein sein will. In Südkorea, wo Frauen besonders von Sexismus betroffen sind, hat sich sogar eine noch radikalere Gruppe geformt: Die 4B-Bewegung. Die vier „B“ stehen im Koreanischen für Dating, Sex, Heiraten und Kinder – alles Dinge, denen die Anhängerinnen der Bewegung abgeschworen haben. Durch die sozialen Medien hat sich „4B“ bereits in andere Länder verbreitet, hierzulange ist es allerdings noch wenig bekannt.

Ungleichgewicht
Singlefeindlichkeit zeigt sich nicht nur in Blicken und Kommentaren, sondern auch in Strukturen. Warum kosten Hotel-Einzelzimmer fast genauso viel wie Doppelzimmer? Warum sind die meisten Verpackungseinheiten im Supermarkt für Singles viel zu groß bemessen? Unser Alltag scheint nicht auf Singles ausgerichtet zu sein. Dabei zeigen Studien, dass Singles oft stärkere soziale Netzwerke haben, selbstbestimmter sind und sich Hobbys oder beruflichen Projekten intensiver widmen.
Time to change
Die Frage ist: Was tun gegen Single-Shaming? Ein erster Schritt ist ein Umdenken: Singles sollten nicht länger als unvollständig oder bemitleidenswert dargestellt werden, ob in Werbung, den sozialen Medien oder im Privaten. Das beginnt aber auch bei unserem eigenen Verhalten und dem diesbezüglichen Nachbohren bei Freund:innen und Bekannten, das wir uns in Zukunft lieber verkneifen sollten. Der Valentinstag mag eine Feier der Liebe sein, aber Liebe hat viele Formen – zu Freund:innen, zur Familie oder zu sich selbst. Vielleicht sollten wir uns diesen Februar weniger auf Paare und mehr auf Menschen konzentrieren. Denn ob Single oder liiert: Glück ist keine Frage des Beziehungsstatus.
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Betina Petschauer ist Redakteurin bei der STEIRERIN und hauptsächlich für die Ressorts Genuss, Leben, Freizeit, Menschen und Emotion zuständig. Als Foodie zieht sich die Leidenschaft für Essen und Trinken durch alle Bereiche ihres Lebens. Daneben schlägt ihr Herz für Serien, Filme und Bücher, die sie in der Rubrik „Alltagspause“ auch regelmäßig rezensiert.
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